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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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ihm, um ihm Vorhaltungen zu machen, bis er mich mit der Hand zurückhielt.
    »Frank«, sagte er, »Ihr wißt, was wir uns geschworen haben, und doch würde kein Eid mich veranlassen können, solche Redensarten hinunterzuschlucken, wenn ich Euch nicht mit aufrichtiger Zuneigung betrachtete. Daran könnt Ihr unmöglich zweifeln, ich habe genug Beweise gegeben. Dutton mußte ich mitnehmen, weil er den Pfad kannte, und Grady, weil Dutton ohne ihn nicht mitkommen wollte. Aber welche Veranlassung lag vor, Euch mitzunehmen? Ihr bedeutet für mich eine ständige Gefahr wegen Eures verfluchten irischen Dialektes. Von Rechts wegen müßtet Ihr jetzt auf dem Kreuzer in Eisen liegen. Und Ihr streitet Euch mit mir herum wegen einiger Lächerlichkeiten!«
    Ich empfand diese Rederei als höchst unfein und kann sie bis auf den heutigen Tag nicht in Einklangbringen mit meiner Vorstellung von einem Gentleman, der mein Freund war. Ich warf ihm seinen schottischen Dialekt vor, der zwar nicht sehr ausgeprägt war, aber hinreichte, um unvornehm und gemein zu wirken, wie ich ihm offen sagte. Die Angelegenheit hätte sich noch ausgewirkt, wenn nicht ein höchst beunruhigender Zwischenfall eingetreten wäre.
    Wir waren eine Strecke den Sand entlang gegangen. Der Platz, wo wir geschlafen hatten und wo die Pakete geöffnet lagen, das Geld ringsumher verstreut, lag zwischen uns und den Kiefern, und der Fremde muß aus dem Walde herausgetreten sein. Jedenfalls stand er plötzlich da, ein großer, ungeschlachter Geselle dieses Landes, eine breite Axt auf der Schulter, und blickte mit offenem Munde bald auf den Schatz, der zu seinen Füßen lag, bald auf uns, die wir in unserem Streit bereits zu den Waffen gegriffen hatten. Kaum hatten wir ihn bemerkt, als er seine Beine wiederfand und zum Walde zurücklief.
    Diese Szene konnte zu unserer Beruhigung nicht beitragen: ein paar bewaffnete Leute in Seemannskleidung, die sich wegen eines Schatzes stritten, nur einige Meilen entfernt von der Stelle, wo man ein Piratenschiff erobert hatte – das mußte genügen, um alle Bewohner des Landes auf uns zu hetzen. Die Streitigkeiten wurden nicht einmal richtig ausgeglichen, sondern waren im Nu in unseren Herzen ausgelöscht. In einer Sekunde rafften wir unsere Pakete zusammen und rannten aus Leibeskräften davon. Aber das Unglück war, daß wir die Richtung nicht kannten und fortwährendwieder umkehren mußten. Ballantrae hatte zwar alles aus Dutton herausgeholt, soweit es möglich war, aber es ist schwierig, nach solchen Angaben zu wandern, und die Flußmündung, die einen großen, unregelmäßigen Hafen einschließt, hemmte unseren Weg auf allen Seiten durch Wasserläufe.
    Wir waren nahezu verzweifelt und vom Laufen beinahe erschöpft, als wir von der Höhe einer Düne feststellten,daß wir durch eine weitere Verzweigung der Bucht wieder abgeschnitten waren. Dieser Einschnitt unterschied sich jedoch erheblich von den andern, die uns bisher aufgehalten hatten, er lag zwischen Felsen und fiel jäh ab zu solcher Tiefe, daß ein kleines Schiff, das mit einer Trosse befestigt war, am Ufer liegen konnte. Die Leute hatten ein Brett zur Küste hinübergelegt, wo sie ein Feuer angezündet hatten und beim Mahle saßen. Das Schiff war eins von denen, wie man sie auf den Bermudasinseln baut.
    Die Liebe zum Gold und der große Haß, den jeder gegen Piraten hegt, waren zu gefährlich und würden ohne Zweifel das ganze Land auf unsere Spur gesetzt haben. Außerdem war es uns nun klar, daß wir uns auf einer Halbinsel befanden, die sich wie die Finger einer Hand spaltete, und das Handgelenk, nämlich der Übergang zum eigentlichen Festland, dem wir uns sofort hätten zuwenden sollen, war jetzt wahrscheinlich schon versperrt. Diese Überlegungen trieben uns zu einem kühnen Entschluß. Wir legten uns, solange wir es wagen durften, auf der Höhe der Düne nieder und horchten aufmerksam auf Geräusche von Verfolgern. Als wir auf diese Weise wieder etwas zu Atem gekommen waren und unsere Kleider geordnet hatten, schlenderten wir auf die Leute am Feuer zu und gaben uns den Anschein größter Sorglosigkeit.
    Es war ein Händler und seine Negersklaven aus Albany in der Provinz New York, der auf dem Heimwege war von Indien mit seiner Ladung. Seinen Namen habe ich vergessen. Wir hörten erschrocken, daß eraus Furcht vor der »Sarah« hier Zuflucht gesucht hatte. Daß unsere Taten so allgemein bekannt waren, hatten wir nicht gedacht. Kaum hatte der Kapitän vernommen, daß das

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