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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Geographie, und Ballantrae hatte, wie ich glaube, gut zugehört. Aber ich fand solche Belehrungen immer sehr langweilig und wußte nur, daß wir im Lande der Adirondackindianer und nicht sehr weit von unserem Ziel waren, wenn wir nur den Weg ausfindig machen konnten. Die Weisheit meinesBenehmens wurde bald offenbar, denn Ballantrae wußte trotz seiner großen Anstrengungen nicht mehr als ich. Er war sich klar, daß wir einen Fluß verfolgen und dann über eine Stromschnelle hinweg einen zweiten hinunterfahren mußten, um schließlich einen dritten wieder hinaufzupaddeln. Man muß aber bedenken, daß in einem so gebirgigen Lande von allen Zeiten zahlreiche Ströme herbeiflossen. Wie kann also ein Mann, der diese Teile der Welt durchaus nicht kennt, den einen vom anderen unterscheiden? Auch war das nicht unsere einzige Sorge. Wir waren noch Anfänger in der Handhabung eines Kanus, die Stromschnellen gingen beinahe über unsere Kraft, so daß wir manchmal eine halbe Stunde stumm in Verzweiflung dasaßen, und das Auftauchen eines einzigen Indianers würde wahrscheinlich unser Verderben bedeutet haben, da wir uns ja nicht mit ihm verständigen konnten. Es ist also wohl zu entschuldigen, daß Ballantrae manchmal ziemlich niedergeschlagen war. Seine Gewohnheit, den anderen, die ebenso tüchtig waren wie er, alle Schuld zuzuschieben, war immer schwerer zu ertragen, und seine Ausdrücke waren nicht leicht zu verzeihen. Er hatte sich an Bord des Piratenschiffes eine Sprache angewöhnt, die zwischen Edelleuten höchst ungewöhnlich ist, und jetzt, wo er gewissermaßen im Fieber war, wurde er um so anmaßender.
    Am dritten Tage unserer Wanderung fiel das Kanu, als wir es über eine felsige Stromschnelle trugen, nieder und zerschellte vollständig. Die Stromschnelle lag zwischen zwei Seen, die beide sehr groß waren; der Pfad,soweit von ihm die Rede sein konnte, führte an beiden Enden ins Wasser und war an beiden Leiten von undurchdringlichen Wäldern eingeschlossen. Die Ufer der Seen waren sumpfig und ungangbar, so daß wir nicht nur gezwungen waren, unser Boot und den größten Teil des Proviantes im Stich zu lassen, sondern sofort einen Weg durch undurchdringliches Dickicht bahnen und unsere einzige Richtschnur, den Flußlauf, verlassenmußten. Wir steckten beide unsere Pistolen in den Gürtel, schulterten eine Axt und nahmen unseren Schatz und so viel Vorrat, wie wir schleppen konnten, auf den Rücken. Den Rest unseres Eigentums ließen wir liegen, darunter sogar unsere Schwerter, die uns im Walde sehr behindert hätten, und stürzten uns in dies beklagenswerte Abenteuer. Die Arbeiten des Herkules, die Homer so schön beschreibt, waren lächerlich gegen das, was uns bevorstand. Manche Teile des Waldes waren bis zum Boden vollkommen dicht, so daß wir uns unseren Weg wie Maden im Käse suchen mußten. In anderen Teilen war der Boden tief, sumpfig, und alles Holz vollständig morsch. Einmal sprang ich auf einen großen niedergestürzten Baumstamm und sank bis zu den Knien in faules Holz, und während ich fiel, versuchte ich mich an einem, wie es schien festen Stamm zu halten, aber das ganze Ding sank bei der bloßen Berührung wie ein Blatt Papier in sich zusammen. Wir taumelten, fielen, rutschten auf den Knien, hieben unseren Weg vorwärts, Zweige und Äste schlugen uns beinahe die Augen aus, die Kleider wurden uns vom Leibe gerissen, wir mühten uns den ganzen Tag ab, und es blieb fraglich, ob wir zwei Meilen vorwärts kamen. Was aber schlimmer war: da wir keinen freien Ausblick hatten und ständig durch Hindernisse vom Wege vertrieben wurden, war es unmöglich, auch nur ungefähr eine Ahnung von der Richtung zu haben, in der wir uns bewegten.
    Etwas vor Sonnenuntergang warf Ballantrae auf einem freien Platz an einem Fluß, ringsumher vonschroffen Bergen umgeben, sein Gepäck nieder. »Ich gehe nicht mehr weiter«, sagte er und forderte mich auf, Feuer zu machen, indem er mich bis aufs Blut kränkte durch Ausdrücke, wie sie sich kaum für einen Kutscher geziemen.
    Ich sagte ihm, er möge doch vergessen, daß er einmal ein Seeräuber gewesen sei und sich erinnern, daß er zuvor ein Edelmann war.
    »Seid Ihr verrückt?« schrie er. »Widersprecht mir hier nicht!« Und dann schüttelte er die Faust gegen die Berge und rief: »In dieser elenden Wildnis soll ich meine Gebeine lassen! Wollte Gott, ich wäre wie ein Edelmann auf dem Schafott gestorben!« Er sagte das, indem er wie ein Schauspieler schwülstig deklamierte, und dann

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