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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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guter Mann«, sagte er mit englischem Akzent, »hier sind einige Sachen für Durrisdeer.«
    Ich war inzwischen nahe genug herangekommen, um ihn sehen zu können: Figur und Haltung sehr ansprechend, schlank, gereckt, das Gesicht braun, das Auge lebhaft, bewegt, dunkel wie das eines Kämpfers und eines Mannes, der gewöhnt ist zu befehlen. Auf einer Backe hatte er eine Narbe, die ihm nicht schlecht stand; ein großer Diamant funkelte an seiner Hand, sein Gewand, obwohl einfarbig, war mit französischer Eleganz zugeschnitten, die Manschetten, länger als gewöhnlich, bestanden aus herrlichen Spitzen, und ich bewunderte seine Erscheinung um so mehr, als er soeben ein schmutziges Schmugglerschiff verlassen hatte. Inzwischen hatte er mich näher betrachtet, musterte mich ein zweites Mal scharf und lächelte dann.
    »Ich wette, mein Freund«, sagte er, »daß ich Euren Namen und Euren Spitznamen kenne. Ich schloß sogar auf Eure Kleidung aus Eurer Handschrift, Mr. Mackellar.«
    Bei diesen Worten begann ich zu zittern. »Oh«, sagte er, »Sie brauchen sich vor mir nicht zu fürchten, ich nehme Ihnen Ihre häßlichen Briefe nicht übel und habe die Absicht, Sie stark für mich zu beschäftigen. Sie können mich Mr. Bally nennen, das ist der Name, den ich angenommen habe, oder vielmehr – da ich mit jemandspreche, der alles sehr genau nimmt –, wie ich meinen eigenen zurechtgestutzt habe. Kommen Sie jetzt, nehmen Sie das und das« – er zeigte auf zwei der Koffer –, »mehr werden Sie nicht tragen können, und das übrige kann warten. Kommen Sie, verlieren Sie keine Zeit mehr, wenn ich bitten darf.«
    Sein Ton war so herausfordernd, daß ich alles tat, was er verlangte, und zwar wie aus einem Instinkt heraus, da mein Geist die ganze Zeit völlig verwirrt war. Kaum hatte ich die Koffer aufgenommen, als er mir den Rücken zudrehte und durch das lange Gehölz davonschritt, wo es schon dunkel zu werden begann, denn der Busch ist dicht und immergrün. Ich folgte ihm, unter meiner Last bis zum Boden gedrückt, obgleich ich, wie ich bekenne, mir meiner Bürde nicht bewußt war. Das Ungeheuerliche dieser Heimkehr hatte mich vollkommen überrumpelt, und mein Geist flog hin und her wie ein Weberschiffchen.
    Plötzlich setzte ich die Koffer auf den Boden und stand still. Er drehte sich um und sah mich an.
    »Nun?« fragte er.
    »Sind Sie der Junker von Ballantrae?«
    »Sie werden gerecht genug sein festzustellen«, sagte er, »daß ich vordem schlauen Mackellar daraus kein Geheimnis gemacht habe.«
    »Aber im Namen Gottes«, rief ich aus, »was bringt Sie hierher? Kehren Sie um, solange es noch Zeit ist.«
    »Ich danke Ihnen«, sagte er. »Ihr Herr hat es gewollt, nicht ich, aber da er seine Wahl getroffen hat, müssen er und auch Sie die Folgen tragen. Und nun nehmen Sie meine Sachen auf, die Sie an einem sehr schmutzigen Platz niedergesetzt haben, und tun Sie, was ich Ihnen aufgetragen habe.«
    Aber ich dachte jetzt nicht an Gehorsam, sondern trat ganz nahe an ihn heran. »Wenn nichts Sie bewegen kann umzukehren«, sagte ich, »obgleich jeder Christ und sogar jeder Edelmann unter den bestehenden Verhältnissen Bedenken tragen würde, weiter zu gehen...«
    »Das sind entzückende Bemerkungen!« warf er ein.
    »Wenn nichts Sie bewegen kann umzukehren«, fuhr ich fort, »so sind auf alle Fälle doch gewisse Anstandsregeln zu beachten. Warten Sie hier mit Ihrem Gepäck, während ich vorangehe und Ihre Familie vorbereite. Ihr Vater ist ein alter Mann, und ...« ich stotterte ... »es gibt Anstandsregeln, die man beachten muß.«
    »Dieser Mackellar«, sagte er, »gewinnt wahrhaftig bei näherer Bekanntschaft. Aber verstehen Sie mich recht, Mann, und behalten Sie es ein für allemal: Sie verschwenden Ihre Worte an mich, ich gehe meine eigenen Wege unbeirrbar weiter.«
    »Aha!« sagte ich. »Ist das der Fall, dann werden wir sehen!«
    Und ich drehte mich um und rannte auf Durrisdeer zu. Er griff nach mir und schrie ärgerlich auf, und dann glaubte ich ihn lachen zu hören, und ohne Zweifel folgte er mir ein oder zwei Schritte, um alsdann, wie ich vermute, zurückzubleiben. Eins jedenfalls ist sicher: daß ich wenige Minuten später an der Tür des großen Hauses anlangte, nahezu erstickt vor Atemnot, und daß ich in die Halle stürzte und der Familie gegenüberstand, ohne sprechen zu können. Mein Bericht mußte aber in meinen Augen geschrieben stehen, denn sie standen von ihren Sitzen auf und starrten mich entgeistert an.
    »Er ist da!«

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