Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
vielleicht das militärische Sprichwort, daß man dem fliehenden Feinde goldene Brücken bauen soll. Ich nehme an, daß Sie mich verstehen und zeichne mit ergebenen Empfehlungen an Lord Durrisdeer, seinen Sohn und die schöne Mrs. Durie
    als Ihr ergebener Diener
    Francis Burke.
    *
    Diesen Brief trug ich sofort zu Mr. Henry, und ich glaube, wir hatten beide denselben Gedanken, daß der Brief eine Woche zu spät gekommen sei. Ich sandteeiligst eine Antwort an Oberst Burke und bat ihn, den Junker zu versichern, wenn er ihn träfe, daß sein nächster Bote gut aufgenommen werden würde. Aber trotz aller Eile konnte ich die Geschehnisse, die herannahten, nicht abwenden. Der Pfeil war abgeschossen, er mußte jetzt fliegen. Fast möchte man die Macht der Vorsehung und den Willen des Höchsten, das Rad des Schicksals aufzuhalten, anzweifeln, und es ist ein sonderbarer Gedanke, daß die meisten von uns die Katastrophe lange Zeit hindurch selbst vorbereitet hatten, in blinder Unkenntnis dessen, was wir taten.
    Seit der Brief des Oberst Burke eingetroffen war, hatte ich ein Fernrohr auf meinem Zimmer. Ich begann die Pächter auszuforschen, und da man kein großes Geheimnis daraus machte und der Schmuggel in unserer Gegend nicht nur heimlich, sondern auch mit Waffengewalt betrieben wurde, hatte ich bald eine genaue Kenntnis der Signale und wußte ziemlich sicher, wann ein Bote erwartet wurde. Ich sagte, daß ich die Pächter befragte, denn ich konnte mich nie entschließen, mich mit den Schmugglern selbst, diesen verwegenen Haudegen, die stets bewaffnet gingen, freiwillig einzulassen. Ich war sogar, was sich in der Zukunft als recht ungünstig erwies, ein Gegenstand der Verachtung für manche dieser Messerhelden, die mich nicht nur mit einem Spitznamen versahen, sondern mich eines Nachts auf einem Feldweg erwischten und mich zu ihrer Erheiterung tanzen ließen, da sie, wie sie es ausdrückten, guter Laune waren. Die Methode, die sie dabei anwandten, war grausam genug; sie warfen mit blankenMessern nach meinen Zehen und schrien dabei: »Plattfuß!«, und obgleich sie mir kein Leid antaten, ging mir die Sache doch sehr nahe, und ich war gezwungen, mehrere Tage das Bett zu hüten: ein Skandal auf schottischem Boden, für den jeder Kommentar überflüssig ist.
    Am Nachmittag des siebenten November dieses unglücklichen Jahres erspähte ich während eines Spazierganges den Hauch eines Leuchtfeuers auf dem Muckle Roß. Es war eigentlich höchste Zeit für mich zurückzukehren, aber die Unruhe meines Geistes war an jenem Tage so groß, daß ich mich durch das Dickicht hindurchzwängen mußte, bis zur Ecke von Craig Head, wie man ein Riff nennt. Die Sonne war schon untergegangen, aber im Westen war noch ein breiter Lichtstreif, der mireinige Schmuggler zeigte, wie sie das Signalfeuer auf dem Roß austraten. In der Bucht lag der Kutter mit gerefften Segeln. Er war offenbar gerade vor Anker gegangen, und doch war das Boot schon ausgesetzt und strebte dem Landungsplatz am Ende des langen Gehölzes zu. Das konnte nur eins bedeuten: die Ankunft eines Boten für Durrisdeer.
    Ich überwand den Rest meiner Furchtsamkeit, kletterte den Felsen hinunter, wohin ich mich nie getraut hatte, und verbarg mich im Gestrüpp am Strande, um das Boot auflaufen zu sehen. Kapitän Crail saß selbst am Steuer, was höchst ungewöhnlich war. Ihm zur Seite saß ein Passagier, und die Mannschaft kam nur langsam vorwärts, weil sie durch nahezu ein halbes Dutzend großer und kleiner Koffer behindert wurde. Aber das Landungsmanöver wurde glatt durchgeführt, und bald war alles Gepäck an Land geworfen, das Boot kehrte zum Kutter zurück, und der Passagier stand allein auf einem Felsblock, die schlanke Gestalt eines Edelmannes, schwarz gekleidet, ein Schwert an der Seite und einen Spazierstock in der Hand. Als er so dastand, winkte er Kapitän Crail mit dem Stock zu, und es war eine Geste von Grazie und Spott zugleich, die sich meinem Gemüt tief einprägte.
    Kaum war das Boot mit meinen geschworenen Feinden fort, als ich allen Mut zusammennahm, zum Rande des Dickichts schritt und dort wieder stillstand. Mein Geist schwankte ständig hin und her zwischen verständlichem Mißtrauen und lebhafter Vorahnung der Wahrheit. Ich hätte dort wirklich die ganze Nacht zweifelndstehen können, hätte sich nicht der Fremde umgedreht, mich im Nebel, der allmählich niedersank, erblickt und mir rufend zugewinkt, näher zu kommen. Ich tat es, mit einem Herzen wie Blei.
    »Hier,

Weitere Kostenlose Bücher