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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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stieß ich schließlich heraus.
    »Er?« sagte Mr. Henry.
    »Er selbst«, sagte ich.
    »Mein Sohn?« rief der alte Lord. »Törichter, törichter Knabe! Ach, konnte er nicht bleiben, wo er in Sicherheit war?«
    Kein Wort sprach Mrs. Henry, und auch ich blickte sie nicht an, ich weiß nicht, warum.
    »Nun«, sagte Mr. Henry und holte sehr tief Atem, »wo ist er?«
    »Ich ließ ihn in dem langen Gehölz zurück«, sagte ich.
    »Führt mich zu ihm«, antwortete er.
    So gingen wir beide, er und ich, hinaus, ohne daß sonst jemand noch ein Wort sprach, und in der Mitte eines mit Sand bedeckten Platzes trafen wir den Junker, der heranschlenderte, pfeifend und mit dem Handstock durch die Luft schlagend. Es war noch hell genug, um Mienen zu erkennen, wenn auch nicht, um sie zu lesen.»Aha, Jakob«, sagte der Junker, »hier ist Esau wieder.«
    »James«, antwortete Mr. Henry, »um Gottes willen, nenne mich bei meinem Namen. Ich will nicht behaupten, daß ich über deine Rückkehr froh bin, aber soweit ich vermag, will ich dich im Hause unserer Väter willkommen heißen.«
    »In meinem Hause oder in deinem?« fragte der Junker. »Was wolltest du sagen? Aber das ist eine alte Wunde, die wir nicht öffnen wollen. Wenn du mit mir auch nicht teilen wolltest, als ich in Paris war, hoffe ich doch, du wirst deinem Bruder nicht ein Plätzchen am Herdfeuer von Durrisdeer verweigern.«
    »Das sind überflüssige Redensarten«, erwiderte Mr. Henry, »du kennst die Macht deiner Stellung ausgezeichnet!«
    »Nun, ich glaube es«, sagte der andere mit leisem Lächeln.
    Und das war, wie man sagen könnte, das Ende dieser Begegnung der beiden Brüder, obgleich sie sich noch nicht die Hand gereicht hatten, denn jetzt wandte sich der Junker an mich und forderte mich auf, sein Gepäck zu holen.
    Ich meinerseits blickte Mr. Henry an, um seine Zustimmung zu erfahren, und zwar vielleicht etwas trotzig.
    »Solange der Junker hier ist, Mr. Mackellar, würden Sie mich sehr verpflichten, wenn Sie seine Wünsche als die meinigen betrachten wollten«, sagte Mr. Henry. »Wir bemühen Sie fortwährend: wollen Sie so liebenswürdigsein, einen der Dienstboten herauszuschicken?« Er betonte das Wort Dienstboten.
    Wenn diese Bemerkung überhaupt etwas zu bedeuten hatte, so war sie sicher eine verdiente Zurechtweisung des Eindringlings, aber seine Unverschämtheit war so teuflisch, daß er den Sinn der Worte verdrehte.
    »Sollen wir uns nicht gleich einen Bruderkuß geben?« fragte er mit sanfter Stimme und blickte mich von der Seite an.
    Wenn der Besitz eines Königreiches davon abgehangen hätte, wäre ich jetzt meiner Selbstbeherrschung in Worten nicht sicher gewesen. Einen Diener zu rufen, war mir unmöglich, ich wollte diesem Menschen eher selbst dienen, als jetzt sprechen, und ich wandte mich schweigend ab und schritt zum Gehölz, Zorn und Verzweiflung im Herzen. Es war dunkel unter den Bäumen, und ich ging stumpfsinnig dahin und vergaß, weshalb ich gekommen war, bis ich mir beinahe das Schienbein an den Koffern zerbrach. Dann bemerkte ich eine sonderbare Erscheinung, denn während ich vorher beide Koffer getragen hatte, fast ohne es zu spüren, konnte ich jetzt kaum einen heben, und so blieb ich längere Zeit von der Halle fern, da ich gezwungen war, den Weg doppelt zu machen.
    Als ich anlangte, war die Begrüßung längst vorbei, die Gesellschaft saß bereits beim Abendessen, und durch ein Versehen, das mich tief verletzte, hatte man mein Gedeck vergessen. Ich hatte den Junker bei seiner Rückkehr von der einen Seite kennengelernt: jetzt sollte ich auch die andere sehen. Er zuerst bemerkte mein Kommenund sah, wie ich etwas mißmutig beiseitetrat. Er sprang von seinem Stuhl auf.
    »Ich habe wohl den Platz des guten Mackellar eingenommen!« rief er. »John, ein neues Gedeck für Mr. Bally, ich will durchaus niemand stören, und euer Tisch ist groß genug für uns alle.«
    Ich traute meinen Augen und Ohren nicht, als er mich bei den Schultern nahm und mich lachend auf meinen Platz drängte, soviel heitere Liebenswürdigkeit war in seiner Stimme. Und während John ein neues Gedeck für ihn auflegte, worauf er bestand, lehnte er an seines Vaters Sessel und blickte auf ihn nieder, und der alte Herr drehte sich um und blickte hinauf zu seinem Sohn, wobei eine so große gegenseitige Zärtlichkeit zum Ausdruck kam, daß ich staunend die Hände zum Kopf hätte erheben können.
    Doch so war alles in allem. Kein rauhes Wort kam von seinen Lippen, keine höhnische

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