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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Mein Herz hämmerte gegen die Rippen, das Haar stand mir zu Berge, so grauenhaft war die Furcht, die in mir erwachte. Ich schaute nach rechts und links, doch der Boden war so hart, daß er keine Spuren trug. Ich stand und lauschte, bis meine Ohren schmerzten, aber die Nacht ringsumher war so hohl wie eine leere Kirche. Am Strande hörteman nicht einmal ein Plätschern, es schien, als könne man eine Nadel im weiten Lande fallen hören.
    Ich löschte die Kerze aus, und die Finsternis überfiel mich tiefschwarz; es war mir, als ob eine Menschenmenge mich umzingelte, und ich ging, das Kinn auf der Schulter, zum Hause Durrisdeer zurück; und während ich dahineilte, überfielen mich feige Vermutungen. Aus der Tür trat mir eine Person entgegen, und ich hätte fast vor Entsetzen aufgeschrien, bevor ich Mrs. Henry erkannte.
    »Haben Sie es ihm erzählt?« fragte sie.
    »Er hat mich hingeschickt«, sagte ich. »Er ist verschwunden. Aber warum sind Sie hier?«
    »Er ist verschwunden?« wiederholte sie. »Wer ist verschwunden?«
    »Der Körper«, antwortete ich. »Warum sind Sie nicht bei Ihrem Gatten?«
    »Verschwunden?« fragte sie. »Sie müssen nicht gut nachgeschaut haben. Kommen Sie mit mir zurück.«
    »Es ist kein Licht mehr da«, sagte ich, »ich wage es nicht.«
    »Ich kann im Dunkeln sehen. Ich habe hier so lange gestanden, so lange«, sagte sie. »Kommen Sie, geben Sie mir Ihre Hand.«
    Wir kehrten zu dem Gehölz Hand in Hand zurück und suchten den Unglücksplatz.
    »Achten Sie auf das Blut«, sagte ich.
    »Blut?« rief sie aus und wich plötzlich zurück.
    »Ich glaube, es ist Blut«, antwortete ich. »Ich bin wie ein Blinder.«
    »Nein«, sagte sie, »nichts! Haben Sie nicht geträumt?«
    »Ach, wollte Gott, ich hätte geträumt!« rief ich aus.
    Sie erblickte das Schwert, hob es auf und ließ es, als sie das Blut sah, mit weit auseinander strebenden Händen wieder fallen.
    »Oh!« rief sie. Und dann nahm sie es mit neuem Mut zum zweitenmal auf und stieß es bis zum Heft in den gefrorenen Boden. »Ich will es mit zurücknehmen und gut säubern«, sagte sie, und dabei blickte sie sich nach allen Seiten um. »Ist es möglich, daß er nicht tot ist?« fügte sie hinzu.
    »Sein Herz stand still«, sagte ich, und dann erinnerte ich mich und fuhr fort: »Warum sind Sie nicht bei Ihrem Gatten?«
    »Es hat keinen Zweck«, sagte sie, »er will nicht mit mir sprechen.«
    »Nicht mit Ihnen sprechen?« wiederholte ich. »Ach, Sie haben es nicht versucht.«
    »Sie haben recht, wenn Sie an mir zweifeln«, antwortete sie mit sanfter Würde.
    Zum ersten Male ergriff mich jetzt Mitleid mit ihr. »Gott weiß, gnädige Frau«, rief ich aus, »Gott weiß, daß ich nicht so hart bin, wie ich erscheine. Wer kann in dieser grauenhaften Nacht seine Worte abwägen? Aber ich bin der Freund aller, die nicht zu den Feinden Henry Duries gehören.«
    »Es ist also hart, wenn Sie seinem Weibe gegenüber zögern«, sagte sie.
    Ich sah plötzlich, als wenn ein Schleier sich höbe, wie tapfer sie dies widernatürliche Unheil getragen und wie edelmütig sie meine Vorwürfe entgegengenommen hatte.
    »Wir müssen zurückgehen und alles dem alten Lord erzählen«, sagte ich.
    »Ihm kann ich nicht gegenübertreten«, rief sie aus.
    »Sie werden feststellen, daß er am wenigsten von uns allen erregt ist«, sagte ich.
    »Und doch kann ich ihm nicht gegenübertreten«, antwortete sie.
    »Nun gut«, sagte ich, »Sie können zu Mr. Henry zurückgehen, ich werde den Lord aufsuchen.«
    Als wir zurückwanderten, ich mit den Leuchtern und sie das Schwert in der Hand – eine eigenartige Bürde für diese Frau –, hatte sie einen anderen Gedanken. »Sollen wir Henry alles erzählen?« fragte sie.
    »Der Lord soll darüber entscheiden«, erwiderte ich.
    Der Lord war nahezu fertig angezogen, als ich sein Zimmer betrat. Er hörte mich stirnrunzelnd an. »Die Schmuggler«, sagte er. »Aber lebend oder tot?«
    »Ich hielt ihn für –«, sagte ich und machte eine Pause, da ich mich vor dem Worte scheute.
    »Ich weiß es, aber es ist sehr wohl möglich, daß Sie sich getäuscht haben. Warum sollten sie ihn fortschaffen, wenn er nicht lebte?« fragte er. »Oh! hier ist ein weites Tor der Hoffnung. Man muß die Nachricht verbreiten, daß er, genau wie er kam, ohne jede Verständigung fortgereist ist. Wir müssen allen Skandal vermeiden.«
    Ich bemerkte, daß er, wie wir alle, hauptsächlich an das Haus dachte. Jetzt, da alle lebenden Familienmitglieder in tiefsten

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