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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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zweifellos mit sich genommen, während wir noch Vermutungen ausgeliefert waren, ob er tot oder lebendig war. Der Regen mußte lange vor Tagesanbruch alle Spuren verwischen, und daraus wollten wir Vorteil ziehen. Der Junker war unerwartet nach Einbruch der Nacht erschienen: man mußte nun verbreiten, daß er ebenso unvermittelt vor Tagesanbruch abgereist sei, und um das glaubhaft zu machen, blieb mirnichts weiter übrig, als in das Schlafzimmer des jungen Mannes hinaufzusteigen und sein Gepäck zusammenzuschnüren und zu verbergen. Allerdings waren wir angewiesen auf das Stillschweigen der Schmuggler, aber das war eine unabwendbare Schwäche unserer Situation.
    Ich hörte dem Lord, wie ich schon sagte, mit Bewunderung zu, und beeilte mich zu gehorchen. Mr. und Mrs. Henry hatten die Halle verlassen, der Lord eilte um der Wärme willen zu seinem Bett zurück, unter der Dienerschaft war noch immer keine Bewegung, und als ich die Turmstufen hinaufging und das Zimmer des toten Mannes betrat, lag auf meiner Seele der Schrecken der Einsamkeit. Zu meinem höchsten Erstaunen war alles in Unordnung wie vor einer Abreise. Von den drei Koffern waren zwei bereits verschlossen; der dritte lag offen und fast voll da. Sofort tauchte in mir ein Verdacht auf. Der Mensch wollte also wirklich fortreisen, er hatte nur auf Crail gewartet, wie Crail auf Wind. Gegen Abend hatten die Seeleute einen Wetterumschlag bemerkt, das Boot war gekommen, um diese Wetteränderung zu melden und den Passagier an Bord zu rufen, und die Mannschaft des Bootes war über den Körper gestolpert, der dort in seinem Blute lag. Und noch mehr steckte dahinter. Diese wohlvorbereitete Abreise warf einiges Licht auf die sonst unbegreifliche Beleidigung, die er in der letzten Nacht ausgestoßen hatte: es war ein Abschiedsschuß, der Haß brauchte durch Überlegungen nicht mehr eingedämmt zu werden. Und was die Natur dieser Beleidigung und das Benehmenvon Mrs. Henry betraf, so deutete alles auf eine Schlußfolgerung, deren Richtigkeit ich nicht feststellen konnte und auch bis zum Jüngsten Gericht nicht feststellen kann: die Schlußfolgerung, daß er sich schließlich vergessen hatte, in seinen Annäherungen zu weit gegangen und zurückgewiesen war. Die Wahrheit dieser Vermutung kann nicht erwiesen werden, wie ich sagte, aber als ich an jenem Morgen angesichts der Gepäckstücke darüber nachdachte, war mir dieser Gedanke süß wie Honig.
    In den offenen Koffer griff ich ein wenig hinein, bevor ich ihn schloß. Ich bemerkte mit sehr gemischten Gefühlen die schönsten Spitzen und Tücher, viele Anzüge aus feinen und einfachen Stoffen, in denen er zu erscheinen beliebte, einige Bücher, und zwar vorzügliche, Cäsars Denkwürdigkeiten, einen Band von Hobbes, die Henriade von Voltaire, ein Buch über Indien und eins über Mathematik, das weit über meine eigenen Kenntnisse hinausging. Aber in diesem offenen Koffer fanden sich keinerlei Schriften. Das machte mich nachdenklich. Es war möglich, daß dieser Mensch tot war, aber nicht wahrscheinlich, da die Händler ihn fortgeschafft hatten. Es war möglich, daß er noch an seiner Verwundung starb, aber es war auch denkbar, daß er weiter lebte. Und für diesen Fall war ich entschlossen, Verteidigungsmaterial zu sammeln.
    Ich trug seine Koffer einen nach dem anderen in eine Dachkammer ganz oben im Hause, die wir geschlossen hielten. Dann ging ich auf mein Zimmer, um die Schlüssel zu holen, und als ich zur Dachkammer zurückkehrte,hatte ich die Genugtuung, daß zwei recht gut paßten. In einem der Koffer war eine Briefkassette aus Chagrinleder, die ich mit meinem Taschenmesser aufschnitt, und von jetzt an – soweit man es übersehen konnte – war der Mensch mir ausgeliefert. Es fanden sich hier eine große Anzahl galanter Briefe, hauptsächlich aus seinen Pariser Tagen, und, was wichtiger war, hier waren die Abschriften seiner eigenen Berichte an den englischen Staatssekretär und die Originalantworten des Staatssekretärs: eine durchaus vernichtende Sammlung, deren Veröffentlichung die Ehre des Junkers zugrunde richten und einen Preis für seinen Kopf herausfordern mußte.
    Ich kicherte in mich hinein, als ich die Dokumente überflog, ich rieb mir die Hände und sang in meinem Entzücken mit lauter Stimme. Das Tageslicht fand mich noch immer bei dieser angenehmen Beschäftigung, und auch dann ließ mein Eifer nicht nach, nur trat ich einmal ans Fenster, blickte einen Augenblick hinaus und sah, daß der Frost

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