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Der Kaefig - Roman

Der Kaefig - Roman

Titel: Der Kaefig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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eingegeben hatte, drehte er den Hebel und zog die Tür auf.
    »Geh weg da, Arschloch.«
    Imad trat von dem Wandschrank zurück. Blaze eilte zum Tresor. In seinem Gesicht spiegelte sich Gier.
    »Verdammt!«
    »Ich habe doch gesagt …«
    Blaze kam aus dem Wandschrank und wedelte mit einem dünnen Notizbuch. Er schlug es auf. »Ein beschissenes Tagebuch.« Er warf es auf den Boden und hielt Imad die Pistole vors Gesicht. »Okay. Ich geb dir fünf Sekunden. Wo ist dein Geld?«
    »Auf der Bank.«
    »Verarsch mich nicht, scheiß Araber.« Er spannte die Pistole.
    »Nein, bitte nicht. Ich sag es dir.«
    »Spuck’s aus.«
    »Es gibt ein Geheimfach im Safe. Da sind meine Wertsachen. Es ist hinten drin. Man muss nur gegen die obere linke Ecke der Rückwand drücken.«

    »Okay, schon besser.« Blaze trat wieder in den Wandschrank. Er wandte sich dem Tresor zu.
    Imad stürzte nach vorn und schlug die Schranktür zu.
    Hydra griff danach und wollte sie wieder aufzerren. Er stieß ihr seinen Ellbogen in den Bauch, packte sie und schleuderte sie mit dem Rücken gegen die Tür. Dann presste er sie gegen das Holz.
    Die Tür ruckte, aber sie blieb zu.
    »Aufmachen!«, brüllte Blaze. »Okay. Gut, du hast es nicht anders gewollt, Arschloch!«
    Hydra schrie panisch: »Nein, Blaze. Nicht schießen. Er hält mich vor …«
    Drei Schüsse knallten kurz und trocken. Hydra kreischte vor Schmerz, ihr Körper zuckte bei jedem Schuss; ihr Gesicht verzerrte sich, lief rot an und wurde dann kreidebleich und wächsern.
    »Scheiße!«, schrie Blaze.
    Die Tür ruckte, aber Imad hielt sie weiter zu, drückte sich gegen Hydras zuckenden Körper. Er warf einen Blick zur Seite. Einen guten Meter entfernt stand ein Stuhl mit gerader Lehne. Wenn er den kriegen könnte …
    Ein weiter Schuss ertönte. Hydras Kopf sackte nach vorn gegen Imads Schulter. Hinter ihr war ein winziges ausgefranstes Loch in der Schranktür zu sehen.
    »Siehst du, was du gemacht hast?«, rief Imad.
    Er hielt Hydra mit einer Hand fest und schob sie zur Seite. Dann riss er die Schranktür auf, stieß sie gegen den überraschten Mann und schlug die Tür wieder zu. Er drehte sich um, schnappte sich den Stuhl und klemmte die Lehne unter den Türknauf.
    Als Blaze gegen die Tür hämmerte, wackelte sie, blieb aber geschlossen.

    »Lass mich hier raus, du Arschgesicht!«
    Die Pistole schlug zwei weitere Löcher in das Holz; Kugeln pfiffen dicht neben Imads Kopf durch die Luft.
    Er ging zur Schlafzimmertür und nahm Callahans Kaliber-. 12-Browning-Schrotflinte von dem Haken dahinter. Dann pumpte er eine Patrone in die Kammer und trat vor den Wandschrank. Er zielte.
    Und schoss. Das Gewehr schlug schmerzhaft gegen seine Schulter zurück. Es riss ein zehn Zentimeter großes Loch in die Schranktür. Er lud durch und schoss ein weiteres Mal.
    Durch das klaffende Loch sah er Blaze und Hydra am Boden liegen. Blazes Brust war eine einzige Blutpfütze. Die linke Seite von Hydras Gesicht war weggerissen – als hätte ein Raubtier das Fleisch samt Knochen herausgebissen.

15
    April Vallsarra bewegte sich ohne Schwierigkeiten durchs Haus. Sie stieß nicht gegen Möbel oder Wände. Sie wusste über jeden Zentimeter des Gebäudes Bescheid. Niemand, der sie nicht kannte, wäre auf die Idee gekommen, dass sie blind war.
    Mit einem Glas Milch in der Hand schlenderte sie von der Küche ins Wohnzimmer. Ihr unfehlbarer Orientierungssinn führte sie zu dem Sessel in der Mitte des Zimmers. Sie setzte sich und tippte leicht auf eine Fernbedienung. Musik erfüllte den Raum.
    Es war die Musik ihres Vaters. Sie hörte sie oft. An guten Tagen hatte sie eine beruhigende Wirkung auf sie, beinahe so, als wäre er wirklich bei ihr. An schlechten Tagen brachte die Musik sie zum Weinen. Dann musste sie an die Verbrecher denken, die ihm das Leben genommen hatten.
    Heute Nacht trösteten die Klänge sie. Sie hatte sich den ganzen Tag über so einsam gefühlt, dass sie den Schmerz physisch in ihren Gliedern spüren konnte. Sie war dreiunddreißig Jahre alt und lebte allein in einem großen Haus in diesem entlegenen Canyon.
    Ihr Zuhause war ihre ganze Welt. Es gab keine Welt außerhalb davon. Zwei Stockwerke, fünf Schlafzimmer, drei Bäder, eine Küche, ein Wohnzimmer, ein Esszimmer, eine Dachterrasse, ein riesiges Kellerstudio.

    Das war alles. April Vallsarras Universum.
    Sie wünschte, sie würde sich in jemanden verlieben, der es mit ihr teilen könnte.
    Jemand, der sie liebte.
    Dreiunddreißig Jahre alt.

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