Der Kaefig - Roman
das Fahrrad auf die Seite, und das Hinterrad drehte sich weiter, während sie mit langen selbstsicheren Schritten die Einfahrt hinaufkam.
»Karen, kann ich mal kurz raus?«
»Deine Mutter hat gesagt, du sollst drinbleiben.«
»Nur auf die Veranda, okay? Da kommt jemand. Ich muss mit ihr reden.«
»Mit ihr ?« Sie lächelte ihn verschwörerisch an. »Okay, aber bleib auf der Veranda, hörst du, Byron?«
»Mach ich.«
Byron öffnete die Tür, als Barbara gerade die Hand nach der Klingel ausstreckte. Er trat schnell aus dem Haus und ließ die Fliegengittertür hinter sich zuknallen.
»Was willst du?«, fragte er.
Sie verschränkte die Arme und grinste ihn auf ihre eingebildete Art an. »Ich weiß es.«
»Was weißt du?«
»Was glaubst du?«
»Keine Ahnung.«
»Ich kenn dein Geheimnis.«
»Ja?« Sein Mund wurde trocken.
»Ich weiß alles über dich und diese Mumie.«
»Du weißt überhaupt nichts.«
»Ach ja? Ich gucke jeden Abend Eyewitness News . Eine junge Dame muss auf dem Laufenden bleiben.«
»Und?«
»Ich weiß alles darüber.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, dass sie aus einem Museum gestohlen wurde.« Barbaras Augen leuchteten. Die Sache machte ihr großen Spaß. »Zum Beispiel, dass die Wachleute abgeschlachtet wurden wie Schafe.«
»Und jetzt?«
»Ich werde es verraten.«
»Wem?«
»Na, wem wohl? Der Polizei.«
»Das lässt du besser bleiben«, warnte Byron sie. Er trat drohend einen Schritt auf sie zu, aber sie ließ sich nicht beeindrucken.
»Du jagst mir keine Angst ein«, sagte sie.
»An deiner Stelle würde ich es lieber niemandem sagen.«
»Mach ich auch nicht. Aber nur, wenn du sie mich nochmal sehen lässt.«
»Ich hab sie nicht mehr.«
»Ja, klar.«
»Wirklich. Wir haben sie dahin zurückgebracht, wo wir sie gefunden haben. Echt.«
»Dann würde es dir nichts ausmachen, wenn die Polizei das Haus durchsucht?«
»Nein. Warum auch? Ich hab sie nicht.«
»Klar.« Sie kratzte sich am Oberschenkel, dann wandte sie sich ab. »Also dann, bis morgen, Byron. Auf Eyewitness News .«
Er sah zu, wie sie zu ihrem Fahrrad ging. Mit ihrem kurzen Haar, dem T-Shirt und den Shorts sah sie nicht besonders mädchenhaft aus. Und sie benahm sich auch nicht so. Aber sie war ein Mädchen. Byron verprügelte grundsätzlich keine Mädchen. Man konnte ihnen damit drohen, aber das war nur leeres Gerede.
Mädchen verprügeln ist was für Feiglinge.
Jungs tun so etwas nicht. Jedenfalls keine richtigen Jungs.
Er wünschte, Barbara wäre ein Junge. Dann würde er sie verdreschen, dass ihr Hören und Sehen verging.
»Okay«, sagte er. »Ich hab sie.«
Grinsend drehte sie sich zu ihm um und kam zurück. »Lass sie mich sehen.«
»Du kannst nicht reinkommen.«
»Dann bring sie raus.«
»Klar, ich spazier einfach mit ihr durchs Haus.«
»Warum nicht?«
»Weil die Babysitterin sie dann sieht, du Superhirn. Wie wär’s mit morgen?«
»Vergiss es. Wenn du sie mir nicht sofort zeigst, häng ich es an die große Glocke.«
»An was für eine Glocke?« Er sah sie verwirrt an.
»Das sagt man so … eine Redewendung. Weißt du denn gar nichts , Byron? Jetzt lass uns reingehen und einen Blick drauf werfen.«
»Okay, komm. Aber halt bloß den Mund. Überlass das Reden mir, kapiert?«
»Komm einfach in die Gänge, Byron.«
Er fühlte sich gedemütigt und manipuliert, aber er ging mit ihr ins Wohnzimmer. »Karen, das ist eine Freundin von mir, Barbara. Ich muss ihr etwas in meinem Zimmer zeigen.«
Karen lächelte seltsam. Wissend. »In deinem Zimmer? «
Bryan nickte.
»Das ist ja mal was ganz Neues. Was willst du ihr denn zeigen?«
»Nichts Besonderes.«
»Ach, bist du bescheiden«, sagte Karen, und ihr Lächeln wurde breiter.
»Was?«
»Okay, geht rein. Aber lasst die Tür offen.«
»Klar.«
Sie gingen über den langen Flur zu Byrons Zimmer. Im letzten Licht der untergehenden Sonne war es düster im Raum, aber Byron hielt sich nicht damit auf, eine Lampe anzuschalten. Er kniete sich hin und griff unter das Bett. Ächzte. Zog an etwas. »Kannst du mir mal helfen? «
»Lieber nicht. Wer weiß, was da für Bazillen dran sind.«
Er schaffte es, die Mumie allein herauszuziehen. »Da ist sie«, keuchte er.
Barbara starrte sie an. Sie rümpfte die Nase. »Ekelhaft. «
»Irgendwie schon.«
»Sie ist nackt.«
»Was soll ich denn machen? Soll ich ihr eine Unterhose und einen BH anziehen?«
»Wofür behältst du sie überhaupt?«
»Wer’s gefunden hat, darf’s behalten.«
»Wirst du
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