Der Kaefig - Roman
sie zurückgeben?«
»Warum sollte ich?«
»Weil sie dem Museum gehört. Sie ist gestohlen worden. Gestohlene Sachen darf man nicht behalten, auch wenn man sie gefunden hat. Dafür kommt man ins Gefängnis. «
Byron zuckte die Achseln. »Tja, vielleicht geb ich sie auch zurück. Aber heute Nacht behalte ich sie noch. Morgen kommt Toby mit seiner Polaroidkamera vorbei. Wir machen Fotos von ihr.«
»Das ist widerlich.«
»Es wird super. Wenn du willst, kannst du auch auf einem Bild mit ihr drauf sein.«
»Wer will das schon?« Sie verzog das Gesicht und berührte die schokoladenbraune Mumie mit der Spitze
ihres Turnschuhs. Die leeren Augenhöhlen schienen sie anzustarren. Das Haar bildete einen roten Heiligenschein um den totenkopfähnlichen Schädel. Und diese Zähne … »Kann ich das Bild dann behalten?«
»Klar.«
»Gut, einverstanden. Du kannst sie bis morgen behalten. Ich erlaube es dir. Aber dann musst du sie zurückgeben. «
Byron nickte. Er hatte nicht vor, die Mumie zurückzugeben, aber es schien eine gute Idee zu sein, Barbara in dem Glauben zu lassen. So würde sie heute Nacht nichts ihren Eltern erzählen, die sonst bestimmt die Polizei anrufen würden. Bis morgen hätte er sich vielleicht etwas anderes ausgedacht. Als er die Mumie zurück unter das Bett schob und ihr Haar über den Kunstfaserteppich glitt, knisterte es vor statischer Aufladung. Er sollte wohl am besten ein Fenster öffnen, um den Geruch nach altem Essen zu vertreiben. Das Ding schien Knoblauch-und Zwiebeldüfte auszuschwitzen.
»Um wie viel Uhr morgen?«, fragte Barbara.
»Um zehn. Hinter unserer Garage.«
»Und ich kriege umsonst ein Bild?« Sie kalkulierte den Wert eines solchen Fotos, wie sehr sie in der Schule damit im Mittelpunkt stehen würde. »Ich muss nichts dafür bezahlen?«
»Du bekommst es umsonst. Aber nur du.«
»Byron, eins noch.«
»Was?«
»Gib mir einen Dollar.«
»Hey!«
»Wenn nicht, dann verrate ich es. Heute Nacht.«
»Das machst du nicht.«
»Die Polizei wird sich auf dich stürzen wie Geier auf ein Stück Aas.«
»Das ist unfair!«
»Nein. Ich musste dafür bezahlen, sie zu sehen. Jetzt musst du dafür bezahlen, damit ich dichthalte.«
»Du hast mir nur fünfzig Cent gegeben.«
»Na und? Ein Dollar, oder diese Lippen werden reden.«
»Sei froh, dass du kein Junge bist, Barbara. Dann würde ich dich nämlich plattmachen.«
»Träum weiter.« Grinsend streckte sie die Hand nach dem Geld aus. »Gib her.«
»Das wird dir noch leidtun«, murmelte Byron. Er griff in die Tasche seiner Jeans und zog einen verknitterten Dollarschein heraus.
»Danke. Dann bis morgen.«
Er blieb in seinem Zimmer, als sie wegging. Ein paar Sekunden verstrichen. Dann hörte er, dass sich Schritte näherten. Karen tauchte an der Tür auf.
»Hattet ihr zwei Streit?«, fragte sie. »Oder …«
»Ach, Barbara ist eine Zicke.«
»Ich dachte, sie wäre deine Freundin.«
»Tja, ist sie aber nicht. Sie ist der letzte Dreck. Ich geh jetzt ins Bett.«
»Okay.«
Karen blieb im Türrahmen stehen. »Du hast doch nicht irgendwas unter deinem Bett liegen lassen?«
Er zuckte zusammen. »Was meinst du?«
»Irgendwas, was da nicht sein sollte.«
»Zum Beispiel?«
»Ein altes Stück Pizza oder Knoblauchwurst?«
Sie wird unter mein Bett sehen. Sie wird die Mumie finden.
Er stand dicht vor seinem Bett und hatte die Waden an den Rahmen gepresst. »Da ist nichts drunter, meine Mutter hat mir gestern gesagt, dass ich alles wegräumen soll, und das hab ich auch gemacht.« Lügen haben kurze Beine.
»Es riecht nur ein bisschen … tja, nach Gewürzen hier drin.«
»Ich hab vorhin einen Hamburger gegessen. Ich putz mir gleich die Zähne.« Er wusste nicht, warum er das gesagt hatte, aber es klang überzeugend. Einigermaßen zumindest.
»Ja, tu das. Und mach das Fenster auf und lass ein bisschen frische Luft rein.«
Karen ging weg. Byron ließ sich rückwärts aufs Bett fallen, lag da und überlegte sich, wie er seinen Dollar zurückbekommen könnte.
Er schlummerte ein.
Als er wieder aufwachte, war es dunkel im Zimmer. Er stand auf. Auf dem Weg ins Bad hörte er leise Stimmen. Karen hatte bestimmt Eric zu sich eingeladen. Wahrscheinlich lagen sie wie beim letzten Mal auf dem Sofa, küssten sich und machten andere Sachen, die Karen zum Stöhnen brachten: Oh-oh-oh-oh-oh … als hätte sie sich den Finger in der Tür eingeklemmt.
Byron interessierte das nicht. Im Bad wusch er sein Gesicht, putzte sich die Zähne und
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