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Der Kaefig - Roman

Der Kaefig - Roman

Titel: Der Kaefig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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sollten die Umstände keine andere Möglichkeit zulassen. Ich würde mir einfach das Leben nehmen, wie mein toter Kamerad es getan hatte, und die Sache wäre ausgestanden.
    Nachdem das geklärt war, begann ich wieder, in der Dunkelheit umherzutasten. Mit einem neuen Gefühl der Sicherheit zog ich dem Mann die Hose aus. Ich fand ein Klappmesser in einer seiner Taschen. Damit schnitt ich die Hosenbeine in lange schmale Streifen. Als ich ein Dutzend Streifen hergestellt hatte, entzündete ich ein weiteres wertvolles Streichholz. Noch sechs, sagte ich mir. Nur sechs. Ich hielt die Flamme an das Ende eines Streifens und stellte fest, dass ich eine annehmbare Lichtquelle angefertigt hatte. Indem ich einen Streifen nach dem anderen entzündete, führte ich im Licht der brennenden Baumwolle eine genaue Untersuchung der Kammer durch.

    Ich bemerkte, dass die Steinwand sich über mir leicht nach innen wölbte. Das machte es unmöglich, im Schacht hinaufzuklettern. Könnte es einen anderen Ausweg geben? Gewiss, meine Vorgänger hatten keinen gefunden. Ihr Scheitern war jedoch kein sicherer Beweis, dass ein solcher nicht doch existierte.
    In diesem Fall kam mir mein Wissen über ägyptische Grabstätten zugute. Die Grube, mein Gefängnis, war offensichtlich im Altertum errichtet worden. Ihre Nähe zu dem Tempel des Mentuhotep könnte darauf hindeuten, dass sie während seiner Herrschaft ausgehoben worden waren, möglicherweise als geheimer Zugang zu seinem Grab. Solche Durchgänge waren nicht ungewöhnlich; oft hatten sie die Form von ausgeklügelten Labyrinthen mit falschen Eingängen, Sackgassen und in Wänden und Decken verborgenen Pforten, um Grabräubern einen Strich durch die Rechnung zu machen.
    Ich vergeudete den Großteil meines Vorrats an improvisierten Fackeln bei der erfolglosen Untersuchung von Wänden und Boden. Während meine Flamme noch brannte, schnitt ich schnell weiter Streifen aus der Hose des Toten. Dann nahm ich meine Suche wieder auf und forschte nach dem kleinsten Hinweis, dass sich ein Geheimgang hinter den Steinwänden meiner Zelle verbarg. Ich fand keinen solchen Hinweis. Mit einer Spitzhacke hätte ich mir vielleicht einen Weg in die Freiheit hämmern können. Mit bloßen Händen war ich hilflos.
    Ich ließ das Licht erlöschen und sank gegen eine der Wände. Ich war verschwitzt, erschöpft, in Staub gehüllt. Meine Hoffnung, zu entkommen, war einem schwachen Gebet für ein Wunder gewichen.
    Während ich umringt von meinen stillen Kameraden in der Dunkelheit saß, nahm eine Idee Gestalt an. Zuerst erschien
sie unbrauchbar. Doch als ich länger darüber nachdachte, änderte sich das. Obwohl das Ende des Schachtes höher lag, als mein schwaches Licht reichte, wäre jeder Gegenstand lohnend, der mich näher dorthin brachte.
    Vielleicht war der Durchgang zum Grab auf halber Höhe des Schachtes angebracht worden. Solch eine Versteckmethode war den listigen Priestern des Altertums nicht unbekannt.
    Aus diesem Grund schob ich meine Bedenken beiseite und begann, die Leichen aufeinanderzustapeln. Es war eine makabere Aufgabe. In der Dunkelheit schleppte ich sie von ihren Ruhestätten herbei. Ihre Gelenke waren steif, die Haut hart. Ich begann, sie an dem Zustand ihrer spärlichen Kleidung und den verschiedenen Anordnungen der Glieder auseinanderhalten zu können. Einige waren auf dem Bauch liegend gestorben, andere im Sitzen. Ich machte mir diese Unterschiede bei der Konstruktion meines Podestes zunutze und räumte dabei der Stabilität Vorrang vor der Höhe ein.
    Schließlich hatte ich eine Plattform geschaffen, die mir bis zur Brust reichte, indem ich vier Leichen geschickt an der Wand gestapelt hatte. Ich hob den letzten Körper, den des jüngst Verstorbenen, hinauf. Er schien weniger zerbrechlich zu sein als die anderen. Außerdem hatten sich seine Gelenke in einer günstigen Position versteift. Ich stellte ihn aufrecht auf die anderen und lehnte ihn leicht mit dem Rücken gegen die Wand. Als er sicher stand, entzündete ich den Stoffstreifen, dessen oberes Ende ich zuvor in seinen Mund gestopft hatte. Die brennende Spitze des Streifens schob ich zur Seite des Haufens, damit sie mich nicht bei meinem Vorhaben behinderte.
    Dann machte ich mich an den schrecklichen Aufstieg. Die Körper schwankten bedenklich unter meinen Füßen, aber ich
war so vorsichtig, mein Gewicht nur auf die stärksten Punkte zu setzen: mal eine Schulter, mal eine Hüfte. Schließlich war ich oben angelangt. Ich stand reglos da,

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