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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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nicht nur Interesse, sondern gespannte Neugier. Sie trat näher an Miguel heran, sodass er ihren Schweiß und ihre weiblichen Ausdünstungen einatmete.
    »Ich habe dringende Angelegenheiten zu erledigen – sie können nicht bis morgen warten.«
    »Ich glaube, Sie werden feststellen, dass das Rasphuis nicht so großzügige Öffnungszeiten hat wie unsere Tanzdielen«, sagte sie mit einem Auflachen.
    »Und ich glaube«, erwiderte Miguel mit einer gespielten Sicherheit, die er sich selbst nicht abnahm, »Sie werden feststellen, dass jedes Gebäude jederzeit offen steht, wenn ein Mann den richtigen Schlüssel hat.«
    Clara wandte den Kopf gerade weit genug, um ihm einen Blick zuzuwerfen, der ihm verriet, dass sie einiges Vergnügen an seiner festen Entschlossenheit fand. Sie mochte starke Männer, das erkannte er sofort. Joachim hatte, falls er jemals ein solcher gewesen war, seine Stärke verloren und zugelassen, dass seine Verluste ihm seine Männlichkeit nahmen. Umso mehr war eine so großartige Frau wie sie zu bedauern.
    »Ich muss gehen«, sagte Miguel, sanft seine Hand befreiend. »Ich hoffe, ich sehe Sie wieder«, schäkerte er.
    »Wer weiß schon, was die Zukunft bringt?« Clara senkte den Blick. Miguel ging mit dem selbstsicheren Schritt eines Mannes davon, der eine Frau hätte erobern können, sich jedoch dagegen entschieden hat. Trotzdem, wenn Joachim darauf beharrte, sich Miguels Zorn zuzuziehen, wenn er mit seinen absurden Beschimpfungen und Rachefeldzügen fortfuhr, hatte er,
so dachte Miguel, vielleicht keine andere Wahl, als Clara erneut aufzusuchen. Und sollte er Joachim einen Kuckuck in sein unseliges Nest setzen, würde man schon sehen, wer sich gerächt und wer sich zum Narren gemacht hatte.
     
    Im engen Heiligeweg gelegen, einer Gasse gleich nördlich vom Singel im ehemaligen Zentrum der Stadt, stand das Rasphuis als ein Monument der Verehrung, das die Holländer der Arbeit entgegenbrachten. Von den kopfsteingepflasterten Straßen aus wirkte es nicht anders als jedes andere prachtvolle Haus. Über der schweren Holztür war ein Giebelstein, der das blinde Abbild der Gerechtigkeit darstellte, die über zwei gefesselte Häftlinge wachte. Miguel musterte es im schwindenden Licht. Es würde bald finster werden, und er hatte kein Verlangen danach, ohne Laterne von der Dunkelheit überrascht zu werden, allein in einer uralten, von Gespenstern heimgesuchten Straße wie dem Heiligeweg.
    Miguel klopfte drei- oder viermal an die Tür, bevor ein griesgrämig aussehender Bursche mit fettverschmiertem Gesicht den oberen Teil öffnete. Das Licht einer Kerze, die er auf einer Bank hinter sich abgestellt hatte, unterstrich die grimmige Miene des Wächters. Er war klein, aber breit und stiernackig. Der größte Teil seiner Nase war offenbar vor nicht allzu langer Zeit abgehackt worden, und die entzündete Wunde glitzerte im schwachen Licht der Dämmerung.
    »Was wünschen Sie?«, fragte er in einem so gelangweilten Ton, dass er sich kaum dazu überwinden konnte, die Lippen zu bewegen.
    »Ich muss mit einem der Gefangenen sprechen.«
    Der Bursche gab ein schnaubendes und gurgelndes Geräusch von sich. Seine Nasenspitze glänzte im Kerzenlicht noch stärker. »Das sind keine Gefangenen. Es sind Büßer. Und es gibt Stunden, in denen die Büßer besucht werden dürfen,
und solche, in denen man sie nicht besuchen darf. Jetzt darf man nicht.«
    Miguel hatte keine Zeit für derartigen Unsinn. Was, so fragte er sich, würde der verwegene Pieter tun?
    »Die Stunden sollten flexibler sein«, schlug er vor, wobei er eine Münze hochhielt.
    »Da haben Sie wohl Recht.« Der Wächter nahm die Münze und öffnete die Tür, um Miguel eintreten zu lassen.
    Die Eingangshalle gab keinen Hinweis auf die Schrecken im Untergeschoss. Der Boden war mit schweren Fliesen im Karomuster bedeckt, und eine Reihe von Bögen auf beiden Seiten trennte den Saal von einem schönen Innenhof. Der Garten eines reichen Mannes hätte nicht prächtiger sein können, nichts deutete auf die Gräueltaten hin, die hier stattfanden.
    Er hatte wenig gehört über das, was sich tatsächlich hinter diesen Mauern abspielte, doch was er gehört hatte, zeugte von Grausamkeit: Landstreicher und Bettler, Faule und Verbrecher, alle zusammengepfercht, wurden gezwungen, unwürdige Tätigkeiten zu verrichten. Die Unverbesserlichsten dieser Männer hatten die Aufgabe, Pernambukholz zu zersägen und dann zu raspeln, um daraus den rötlichen Farbstoff zu gewinnen. Und

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