Der Kaffeehaendler - Roman
sehr hübscher Name«, meinte Miguel, »aber Sie haben mich missverstanden. Wenn ich die Art von Gesellschaft wünschte, würde ich sie wohl auch finden, ohne deswegen eine Pastete zu kaufen.«
»Manche Männer mögen die Kurzweil.« Sie lächelte ihn an, und ihre Augen weiteten sich leicht. »Aber ich verstehe schon. Ich heiße Clara, und ich wüsste gern, was Sie vorhaben, mein Herr. Sie scheinen Ihre Pastete als Mittel und nicht als Zweck zu verwenden.«
Miguel verspürte ein unerwartetes Aufflackern von Interesse. Wenn er in einer anderen Angelegenheit unterwegs wäre, wäre es vielleicht nicht schwierig, sie dazu zu überreden, dieses Gespräch im Hinterzimmer einer Schenke fortzusetzen. Aber wozu würde das führen? Ungeachtet Joachims derzeitiger Niedertracht hatte er dem Ärmsten – wenn auch unbeabsichtigt – Schaden zugefügt, und er zögerte, die Sache
zu verschlimmern, indem er einem Wahnsinnigen Hörner aufsetzte.
»Vielleicht weiß ich selbst nicht, was ich vorhabe«, entgegnete er ihr. »Es ist nur so, dass Sie – nun, wenn ich so kühn sein darf – nicht aussehen und auch nicht klingen wie eine Frau, von der man glauben möchte, dass sie an der Oude Kerk Pasteten verkauft.«
»Und Sie sehen nicht aus wie ein Mann, von dem man glauben möchte, dass er eine kauft.«
Miguel verneigte sich. »Ich meine es ernst. Sie sind eine schöne Frau, die vermutlich Besseres gewohnt ist. Warum erlaubt Ihnen Ihr Mann, einem solchen Gewerbe nachzugehen?«
Die gute Laune wich aus Claras Gesicht. »Mein Mann durchlebt schwere Zeiten«, sagte sie schließlich. »Früher hatten wir eine schöne Wohnung und schöne Kleider, doch er hat leider sein Geld an die Betrügereien eines Mannes Ihrer Rasse verloren. Jetzt hat er nur noch Schulden, Senhor.«
Miguel lächelte. »Sie wissen, wie Sie uns anreden müssen. Das gefällt mir. Wie lange ist es her, dass Ihr Mann sein Geld verloren hat?«
»Einige Monate.« Diesmal fehlte der Unterton von Ironie. Sie begann, an diesem Gespräch etwas Lohnendes zu erkennen.
»Und Sie haben immer noch Schulden?«
»Ja, Senhor.«
»Wie viel?«
»Dreihundert Gulden, Senhor. Nicht so viel, wie wir zu besitzen pflegten, aber das ist heute genug.«
»Ich hoffe, Sie akzeptieren wenigstens meine Mildtätigkeit.« Miguel holte sein mit Münzen beschwertes Taschentuch hervor. »Hier sind fünf Gulden.«
Sie lächelte, als er ihr das Tuch in die Hand drückte. Ohne den Blick von ihrem Wohltäter zu wenden, ließ sie das kleine
Päckchen in ihren eigenen Geldbeutel gleiten. »Ich kann Ihnen gar nicht genug danken.«
»Sagen Sie mir doch«, erkundigte er sich munter, »wo ich Ihren Mann finden kann.«
»Ihn finden?« Ihre Augen wurden schmal, und ihre Stirn legte sich in Falten.
»Sie sagen, ihm wurde von einem Mann meiner Rasse Unrecht getan; vielleicht kann ich es wieder gutmachen. Vielleicht finde ich eine Anstellung für ihn oder kann ihn mit jemandem bekannt machen, der dazu in der Lage ist.«
»Sie sind sehr freundlich, doch ich glaube nicht, dass er mit Ihnen sprechen möchte, und ich weiß nicht, wie Sie helfen könnten. Über derartige Nächstenliebe ist er weit hinaus.«
»Weit hinaus? Was sagen Sie da?«
Clara wandte sich ab. »Er wurde aufgegriffen, Senhor, weil er sich weigerte zu arbeiten und in betrunkenem Zustand auf der Straße lag. Er ist jetzt im Rasphuis.«
Miguel verspürte eine vage Freude, den Kitzel der Rache, als er an das Rasphuis dachte, jenen Ort grausamer Disziplin, dem wenige entronnen und keiner ungebrochen entkam. Aber er war nicht hier, um Rache zu üben, und Joachims Leiden brachte ihm nichts ein.
»Dann muss ich ihn dort sprechen«, sagte Miguel lauter, als er es hätte tun sollen, und seine Hände begannen vor Erregung zu zucken. »Ich werde ihn sofort aufsuchen.«
»Ihn sofort aufsuchen«, wiederholte Clara. »Was schert es Sie, ob Sie ihn sehen?«
»Das spielt keine Rolle«, antwortete Miguel. Er wollte forteilen, doch Clara packte ihn am Handgelenk. Er spürte, wie ihre eingerissenen Nägel über sein Fleisch kratzten.
»Sie haben mir nicht die Wahrheit gesagt, Senhor. Ich glaube, ich kenne Sie. Sie sind derjenige, der meinen Mann ruiniert hat.«
Miguel schüttelte den Kopf. »Nein, nicht ruiniert, aber ich hatte Anteil an seinem Ruin. Er und ich haben gleichermaßen gelitten.«
Sie warf einen Blick auf seine Kleidung, ein bisschen verschmutzt vielleicht, doch fein gearbeitet. »Und was wollen Sie jetzt von ihm?« Ihr Tonfall verriet
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