Der Kaffeehaendler - Roman
Mädchen sah, fiel sie in Ohnmacht.«
»Das weiß ich«, sagte Miguel gereizt. »Ich war dabei.«
»Du weißt, dass sie sich den Kopf gestoßen hat. Du weißt aber nicht, dass sie und ihr Ehemann in Salonika inzwischen ein schwachsinniges Kind bekommen haben, und die Ärzte sagen, das sei ein Resultat dieses Unfalls. Sie kann nur schwachsinnige Kinder zur Welt bringen.«
Miguel fuhr sich mit der Hand über seinen Bart und atmete
scharf durch seine Nasenlöcher ein. Antonia unfähig, gesunde Kinder zu gebären? Er konnte sich die Verbindung zwischen ihrer Verletzung und dieser Konsequenz nicht erklären, aber er war kein Mediziner, der solche Rätsel zu lösen vermochte. Er wusste jedoch genug, um sich den Rest auszumalen. Parido schämte sich seines eigenen schwachsinnigen Sohnes, und Antonia war seine einzige Hoffnung gewesen, den Familienstammbaum fortzusetzen, vor allem, da er sie mit einem Vetter verheiratet hatte, der ebenfalls Parido hieß. Der Parnass war schon von Natur aus ein grimmiger Mensch. Welchen Zorn würde er wohl auf den Mann haben, der seiner Meinung nach die Zukunft seiner Ahnenreihe zunichte gemacht hatte?
»Wie lange weiß er das schon?«
»Nicht länger als ein Jahr. Und ich bitte dich, vergiss nicht, dass du ihm nicht erzählen darfst, dass ich davon gesprochen habe.«
Miguel wedelte mit der Hand. »Niemand hat mir etwas gesagt.« Er erhob sich von seinem Stuhl. »Niemand hat mir etwas gesagt!«, wiederholte er, diesmal viel lauter. »Parido hat mehr Grund, mich zu hassen, als ich jemals wissen konnte, und trotzdem hast du nichts gesagt. Und jetzt bezweifelst du, dass er diese gemeine Botschaft geschickt hast, um mich zu beleidigen? Deine Loyalität ist so lachhaft wie deine Überzeugung.«
»Ich werde mir derartige Lügen über Solomon Parido nicht anhören.«
»Dann haben wir nichts mehr zu besprechen.« Miguel eilte die schmale Treppe hinunter und geriet dabei fast ins Stolpern. In seiner Wut hatte er sich beinahe eingeredet, dass es keine wahrscheinlichere Erklärung für den Schweinskopf gab als Parido. Konnte denn ein Zweifel daran bestehen, dass er in seinem Zorn und seinem verdrehten Gefühl für Gerechtigkeit alles tun würde, um Miguel zu schaden? Verflucht sei sein Bruder, wenn er anders darüber dachte.
In der Feuchtigkeit des Kellers lauschte er dem vertrauten Kratzen auf den Dielen, als Daniel sich ankleidete und das Haus verließ. Er war erst eine Viertelstunde fort, als Annetje die Treppe herabkam und Miguel einen Brief reichte. Er war an Daniel adressiert und in der oberen Ecke mit einem Kringel versehen.
Der Brief stammte von dem Makler, der um Daniels Bestätigung seiner Bereitschaft bat, für Miguel zu bürgen. Es waren Standardformulierungen, nichts Besonderes, nur eine Zeile weckte Miguels Aufmerksamkeit.
Sie sind an der Börse stets ein geachteter Mann gewesen, und Ihre Freundschaft mit Solomon Parido bedeutet mehr Sicherheit, als man sich wünschen kann. Trotzdem habe ich wegen Ihrer jüngsten Stornierungen und der Gerüchte einer Zahlungsunfähigkeit gezögert, Ihre Garantien für so solide zu erachten, dass Sie Ihren Bruder unterstützen könnten. Dennoch werde ich auf Miguel Lienzos Gerissenheit und auf Ihre Ehre setzen.
Daniel hatte also Schulden. Das erklärte, wieso er darauf bestand, sein Geld unverzüglich von Miguel zurückzuerhalten. Nun, das machte nichts. Miguel fälschte eine Antwort, die das Mädchen für ihn wegschicken sollte. Sie zögerte einen Moment, und erst nach einigem Drängen rückte sie damit heraus, dass die Senhora ihn zu sehen wünschte.
Hannah lag angelehnt da, den Kopf in ein bläuliches Tuch gewickelt, die blasse Haut war schweißbedeckt, aber sie schien nicht in großer Gefahr zu sein. Sie saß bequem ausgestreckt auf dem Bett, das lang genug war, um darin flach auf dem Rücken zu liegen, ganz anders als das Schrankbett, das Miguel peinigte. Dieses hatte ein kunstvoll verziertes Eichenholzgestell, das über ihr aufragte. Bei den reichen Holländern waren
diese Betten Mode geworden, und Miguel gelobte, dass er sich, sobald er ausgezogen war, auch eines kaufen würde.
Das Bett hatte keinen trennenden Vorhang, deshalb konnte er sehen, wie groß und sorgenvoll ihre Augen waren. »Wir sollten rasch miteinander reden«, sagte sie, das Gesicht ernst, doch ohne Anklage. »Ich weiß nicht, wo Daniel hingegangen ist, daher weiß ich auch nicht, wann er zurückkehrt.«
»Ich glaube, ich weiß, wo er ist«, bemerkte Miguel. »Er
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