Der Kaffeehaendler - Roman
sagte sie. »Ich fand es wichtig, dass er Bescheid weiß.«
»Törichtes Miststück«, zischte das Mädchen. »Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie den Mund halten sollen.«
»Du darfst mir nicht böse sein«, sagte Hannah und verabscheute den flehenden Ton ihrer Stimme, aber es gab weitaus Wichtigeres als ihren Stolz. »Der Arzt hat gesagt, ich solle mich nicht aufregen, damit ich das Kind nicht in Gefahr bringe.«
»Der Teufel möge Ihr Kind holen«, sagte Annetje. »Ich hoffe,
das tut er, zusammen mit euch übrigen heidnischen Juden.« Sie trat einen Schritt näher.
Hannah zog die Bettdecke hoch, um sich zu schützen. »Er wird uns nicht verraten.«
Annetje stand jetzt über ihr und schaute mit ihren kalten Augen, grün wie die eines bösen Geistes, auf sie herab. »Selbst wenn er es nicht tut, glauben Sie denn, dass die Witwe sein Schweigen anerkennt? Und glauben Sie, er ist so schlau, dass er es vermeiden kann, Sie zu verraten? Sie sind eine Närrin, und man dürfte Ihnen nie gestatten, für ein Kind zu sorgen. Ich kam hierher in der Absicht, Ihnen ein Messer in die Möse zu rammen und dieses erbärmliche Kind zu töten.«
Hannah richtete sich keuchend auf.
»Ach, beruhigen Sie sich. Sie sind ja ängstlich wie ein Kaninchen. Ich sagte, ich kam hierher mit der Absicht, aber ich habe meine Meinung geändert, deshalb brauchen Sie nicht so herumzuzappeln. Ich hoffe nur, Sie sind dankbar dafür, dass ich mir keine andere Strafe ausdenke. Und Sie sollten lieber hoffen, dass der Senhor Geheimnisse ebenso gut bewahren kann, wie er sie in Erfahrung bringt, denn wenn Sie verraten werden, können Sie sicher sein, dass ich Ihnen nicht helfen werde. Wenn es sein muss, erzähle ich Ihrem Mann alles, was ich weiß, und Sie können alle miteinander zur Hölle fahren.«
Annetje eilte aus dem Zimmer. Hannah hörte die knarrenden Stufen und dann in der Ferne das Zuknallen einer Tür.
Hannah holte tief Luft. Sie spürte, wie ihr Puls in den Schläfen pochte, und konzentrierte sich darauf, sich zu beruhigen. Aber mehr noch als Angst empfand sie Verwirrung. Was kümmerte es Annetje, dass Miguel über die Witwe Bescheid wusste? Was ging es sie an?
Hannah erschrak. Wieso hatte sie es nicht früher erkannt? Annetje stand in den Diensten der Witwe.
Nach zwei Tagen erlaubte der Arzt Hannah aufzustehen, doch es herrschte eine unangenehme Spannung im Haus. Niemand sprach mehr als notwendig, und Miguel hielt sich, so oft er konnte, außer Haus auf. Am Sabbat lud er sich bei einem westindischen Händler ein, mit dem er freundschaftliche Beziehungen pflegte.
Nicht alles ging jedoch schief. Er hatte eine Nachricht von Geertruid erhalten, in der stand, dass sie zu Besuch bei Verwandten in Friesland sei. Sie würde in Kürze nach Amsterdam zurückkehren, hatte aber gehört, dass ihr Mann in Iberien sich in Oporto und Lissabon Mittelsmänner beschafft hatte und jetzt nach Madrid reiste, wo er einen ebensolchen Erfolg erwartete. Das waren gute, doch angesichts von Hannahs Geschichte beunruhigende Neuigkeiten. Was für ein Geheimnis konnte Geertruid vor ihrem Partner haben? Konnte er ihr vertrauen? Durfte er wagen, es nicht zu tun?
Er hatte einige Briefe von Isaiah Nunes bekommen, dem es schwer fiel, Worte zu finden, die seinen Ärger zur Genüge zum Ausdruck brachten. Er wollte seine fünfhundert Gulden, und die Bande der Freundschaft, die ihn zähmten, nutzten sich immer mehr ab. Miguel hatte keine Schwierigkeiten, Antworten zu verfassen, in denen er ihn vertröstete.
Mittlerweile stieg der Kaffeepreis weiterhin an, was, wie Miguel glaubte, auf Solomon Paridos Einfluss zurückzuführen war. Er erwarb Kaufoptionen in Erwartung eines Anstiegs, und er ließ jedermann wissen, dass er sie erwarb. An der Amsterdamer Börse reichte das aus, um den Preis zu verändern. Händler, die Kaffee bisher kaum zur Kenntnis genommen hatten, begannen jetzt, auf ein weiteres Preiswachstum zu setzen.
Doch Miguel hatte nach wie vor keine Ahnung, was Parido plante. Wollte er sein Handelskonsortium dazu bewegen, das Kaufrecht auszuüben und große Mengen zu erstehen, wodurch ein Monopol noch schwerer zu erlangen wäre? Überdies
würde ein solcher Schritt den Wert von Miguels Verkaufsoptionen schmälern, ihm die Gelegenheit vermasseln, wieder zu Geld zu kommen, und seine Schulden bei seinem Bruder vergrößern. Aber Paridos Strategie musste von allen Mitgliedern seines Konsortiums gebilligt werden, und die meisten hatten keine Lust dazu, Geschäfte zu machen,
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