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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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aussprechen, daher ließ sie sich von dem Mädchen trösten und heißen Wein bringen und Lieder vorsingen, als wäre sie ein kleines Kind.
    Dann begann sie, Annetje Geheimnisse anzuvertrauen; etwa
wie sie ohne Wissen ihres Mannes zu der Hexe außerhalb der Stadt gegangen war, wegen einer Zauberformel, die ihr helfen sollte, schwanger zu werden. Sie erzählte ihr von Daniels seltsamen Angewohnheiten und Schwächen und von seiner Kälte. Zum Beispiel legte er nie, unter keinen Umständen, alle seine Kleider ab. Sie erzählte Annetje, dass er, wenn er den Nachttopf benutzt hatte, Stunde um Stunde zu ihm zurückkehrte, um daran zu riechen.
    Und sie erzählte dem Mädchen andere Dinge, die sie inzwischen gern zurückgenommen hätte. Schon als sie sie geäußert hatte, wusste sie, dass sie zu viel verraten hatte. Vielleicht hatte sie es sogar deshalb getan. Der Nervenkitzel, Verbotenes auszusprechen, um Hilfe bei etwas zu bitten, das nicht sein durfte – es war zu köstlich gewesen. Und es würde wahrscheinlich ihr Untergang sein.
    »Gehen wir morgen?«, fragte Annetje jetzt, als hätte sie Hannahs Gedanken gelesen.
    »Ja«, sagte Hannah. Diese heimlichen Ausflüge waren zunächst belebend gewesen. Wärmend und angenehm und zugleich aufregend wie alles, was unerlaubt war. Inzwischen waren sie eine schreckliche Pflicht, der sie sich nicht entziehen konnte, ohne ein kleines Funkeln in den Augen des Mädchens hervorzurufen, ein Funkeln, das bedeutete: Tu, was ich dir sage, sonst erzähle ich deinem Mann davon. Laut hatte sie die Drohung erst einmal geäußert, als sie sehr böse auf Hannah gewesen war, weil diese ihr nicht mehr als die zehn Gulden geben wollte, die sie ihr zusätzlich zum Lohn ihres Mannes zahlte. Dieses eine Mal hatte genügt. Jetzt machte sie nur noch Andeutungen. »Es wäre mir grässlich, Dinge auszusprechen, die besser unausgesprochen bleiben«, sagte sie zu ihrer Herrin oder: »Manchmal fürchte ich, dass ich ein zu loses Mundwerk habe, und wenn Ihr Gatte dann anwesend ist – nun ja, reden wir lieber nicht darüber.«

    Hannah schaute wieder auf das stumpfe Messer. In Lissabon wäre sie vielleicht in Versuchung gewesen – in echter Versuchung -, es dem Mädchen ins Herz zu stoßen und ihr den Garaus zu machen. Wer hätte schon Fragen gestellt, wenn im Haus eines reichen Kaufmanns ein Dienstmädchen starb? In Amsterdam dagegen mit seiner volksnahen Politik und mittelständischen Kultur würde eine Hausfrau kaum mit der Ermordung einer Angestellten durchkommen. Nicht, dass Hannah sich tatsächlich dazu hätte durchringen können, ein anderes menschliches Wesen zu töten, wie sehr sie es auch hassen mochte. Trotzdem war ihr wohler bei dem Gedanken, die Wahl zu haben.
     
    Daniels Zähne plagten ihn heute. Sie sah es, als sie sich zum Essen niedersetzten. Er hatte Finger beider Hände im Mund und angelte nach wer weiß was. Das pflegte er auch nachts zu tun, wenn er stundenlang herumfuhrwerkte und nicht darauf Acht gab, wohin sein Ellbogen traf.
    Erst nach monatelangem Zusehen hatte sie ihn gedrängt, einen Chirurgen aufzusuchen – eine heikle Angelegenheit, denn Daniel nahm es ihr übel, wenn sie ihm etwas vorschlug. Wenn seine Hand in Flammen gestanden und Hannah ihm geraten hätte, sie in einen Eimer Wasser zu tauchen, hätte er stur verharrt und wäre verbrannt. Um ihren Ratschlag zu mildern, kleidete sie ihn in anekdotische Form: »Jeronimo Javezas Frau hat mir erzählt, dass ihr Mann sich von einem geschickten Zahnarzt, der nahe dem Damrak praktiziert, einen schmerzenden Zahn hat ziehen lassen. Sie meint, er habe sich schon fünf Jahre nicht mehr so wohl gefühlt.«
    Also war er hingegangen, aber mit demselben ihn quälenden Zahn zurückgekehrt, mit dem er morgens das Haus verlassen hatte. »Dieser Verbrecher von einem Chirurgen wollte fünfzehn Gulden, um fünf Zähne zu ziehen«, hatte er berichtet.
»Drei Gulden pro Zahn. Für fünfzehn Gulden sollte man neue Zähne bekommen, nicht seine alten verlieren.«
    Nun, am Tisch, sah es fast so aus, als wollte Daniel seine Grabungen mit einem Messer unterstützen, während Miguel den Wein segnete, den das Mädchen einschenkte. Miguel sprach ein Gebet, segnete alles, was sich nicht bewegte. Vielleicht betete er sogar über seinen Ausscheidungen. Wenn Daniel allein mit ihr aß, murmelte er die hebräischen Worte oder Fetzen davon, wenn er sich an den Rest nicht erinnerte. Oft vergaß er ganz zu beten. Wenn er allein aß, vergaß er es immer, weil dann

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