Der Kaffeehaendler - Roman
wollen. Ich bin noch ungefähr eine Stunde hier. Wenn Sie ein Geschäft machen wollen, dann am besten schnell.«
Ehe Miguel antworten konnte, erhob sich eine neue Stimme. »Ja, schnell genug, damit dieser Mann die Wahrheit nicht erfährt.« Die Frau klang wie die Heldin eines Theaterstücks. Da stand sie, die Hände in die Hüften gestemmt, den üppigen Busen vorgereckt, ihr weiches Gesicht trotzig auf die Männer gerichtet.
Gelb und schwarz gekleidet, sah sie aus wie eine Honigbiene, und zwar eine hübsche, wenn auch ein bisschen älter, als Miguel seine Frauen gern hatte. Er konnte nicht erkennen, ob sie eher Dirne oder Mannweib war.
»Welche Wahrheit ist das?«, fragte er vorsichtig, nicht zum ersten Mal argwöhnisch den alten Matrosen und seine Freunde beäugend. Diese stattliche Frau stand den angegrauten Burschen selbstsicher und herausfordernd gegenüber, und er beschloss, ihr sein Vertrauen zu schenken.
»Dass das Schiff, von dem sie sprechen, keinen Schaden genommen hat«, verkündete sie. »Soweit man weiß, zumindest.«
Die Männer am Tisch wechselten Blicke. »Kennen wir uns, Mutter?«, fragte der ältere Bursche. »Ich finde, Sie sollten gut überlegen, bevor Sie einen Mann öffentlich beschuldigen und ihm ein Geschäft verderben. Sonst«, fügte er mit einem Blick auf seine Kameraden hinzu, »könnten er und seine Freunde sich womöglich beleidigt fühlen und Ihnen das dralle Hinterteil versohlen.«
»Oh, Sie kennen mich! Ich heiße Geertruid Damhuis, und Sie sind der freundliche Fremde, der mir vom Untergang der Angel’s Mercy erzählt hat, an der ich Anteile besaß. Sie waren so gütig, mir diese Anteile für den halben Preis abzunehmen.
Und dann kam das Schiff ein paar Wochen später in den Hafen gesegelt, rechtzeitig und mit voller Fracht.«
»Da irren Sie sich«, sagte der ältere Mann im selben Moment, in dem der Händler meinte: »Ich kann nicht für die Wahrheit aller Gerüchte garantieren, die ich höre.« Als sie merkten, dass Ihr Schwindel aufgeflogen war, erhoben sich alle blitzartig vom Tisch und stürzten zur Tür hinaus.
»Sollen wir hinterher«, fragte Miguel, »oder die Nachtwache rufen?«
Geertruid Damhuis schüttelte ihren hübschen Kopf. »Ich werde meine Röcke nicht schürzen, um im Dunkeln hinter einer Bande von Rüpeln herzurennen, die mich doch nur verprügeln.«
Miguel lachte und verspürte eine plötzliche Aufwallung von Freundschaft und Dankbarkeit. »Sie kamen mir aber eben recht tapfer vor.«
Sie grinste: breit, wunderschön, perlweiße Zähne. Miguel sog den Atem ein und hatte das Gefühl, einen Blick auf etwas Verbotenes geworfen zu haben. »Es ist leicht, tapfer zu sein, wenn man von ein paar Dutzend Männern umringt ist, die einen beschützen würden. Etwas ganz anderes ist es, im Dunkeln Dieben nachzujagen.« Sie stieß einen langen Seufzer aus und presste ihre Finger an die Brust. »Bei Gott, ich könnte was zu trinken gebrauchen. Sehen Sie, wie ich zittere?« Sie hielt ihre bebende Hand hoch.
Während sie trank, erklärte Geertruid ihm, dass diese Männer es sich zur Aufgabe gemacht hätten, die Namen derer in Erfahrung zu bringen, die in bestimmte Schiffe investiert hatten, um sie dann aufzuspüren und ihnen Geschichten aufzutischen. Von da an war nur noch wenig Geschick nötig, um auch den skeptischsten Mann davon zu überzeugen, dass er sich von seinen Anteilen trennen musste.
»Es ist die Dringlichkeit, die ihre Opfer in die Falle lockt«,
sagte Geertruid zu ihm. »Ich musste eine sofortige Entscheidung treffen oder die Konsequenzen tragen, und ich ertrug den Gedanken nicht, dass ich die totale Katastrophe hätte verhindern können und mir nur die Entschlusskraft dazu fehlte. Wie sagt man so schön? Der geduldige Hund frisst Kaninchen, und der übereifrige Hund geht leer aus.«
Miguel war von Geertruids unbefangenem Auftreten, irgendwie männlich und zugleich verführerisch, eingenommen. Sie erklärte, ihr Ehemann, der nie freundlich zu ihr gewesen sei, ehe er starb, habe sie gut versorgt zurückgelassen, und obgleich der Großteil ihres Geldes fest angelegt sei, habe sie ein paar Gulden zum Herumspielen.
Geertruid und er redeten und tranken und rauchten zwar oft miteinander, doch es gab vieles an dieser Witwe, das Miguel nicht verstand. Über sich selbst erzählte sie nicht viel – Miguel wusste nicht einmal so recht, in welchem Stadtteil sie wohnte. Manchmal bat sie ihn, für sie zu makeln, aber nur kleine Summen, sicher weitaus weniger, als
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