Der Kaffeehaendler - Roman
ihr zur Verfügung stand. Dann wieder verschwand sie wochenlang und gab Miguel weder vorher Bescheid, noch erklärte sie ihre Abwesenheit nach ihrer Rückkehr. Ständig flirtete sie mit Miguel, lehnte sich beim Sprechen an ihn, zeigte ihm ihren tiefen Ausschnitt und weckte sein Interesse mit ebenso schlüpfrigen wie vagen Andeutungen.
Eines Sommerabends, nachdem sie beide zu viel Bier getrunken hatten und durchnässt waren von einem unerwarteten Regenguss, hatte sich Geertruid zu ihm gebeugt, um ihm eine Albernheit ins Ohr zu flüstern. Er hatte sie daraufhin so ungestüm auf den Mund geküsst, dass seine Zähne an die ihren stießen, während er versuchte, ihre Brüste zu berühren. Geertruid befreite sich aus seinem unbeholfenen Griff und machte einen kleinen Scherz, aber es war klar, dass Miguel eine Grenze überschritten hatte, die sie ihn nie wieder überschreiten
lassen würde. Als sie Miguel das nächste Mal sah, reichte sie ihm ein winziges Heftchen als Geschenk: ’t Amsterdamsch Hoerdom , ein Führer mit allen Freudenhäusern der Stadt. Miguel hatte ihr lachend gedankt, in Wahrheit aber fühlte er sich schlimmer gedemütigt als durch seinen Bankrott, und er schwor, auf ihr amouröses Geplänkel nicht noch einmal hereinzufallen.
Und dann gab es noch Hendrick, einen Mann, der etwa fünfzehn Jahre jünger war als sie. Geertruid hatte ihn fast immer bei sich. Manchmal saß er getrennt von ihr in der Schenke, während sie mit Geschäftsmännern plauderte, aber er hatte stets ein Auge auf sie, wie ein halb schlafender Wachhund. War er ihr Geliebter, ihr Diener? Sie wollte es nie sagen und wich seinen Fragen mit solch anmutiger Leichtigkeit aus, dass Miguel es längst aufgegeben hatte, die Sache zu ergründen.
Wenn Miguel und Geertruid zusammentrafen, schlich Hendrick sich oft fort, wobei er Miguel einen finsteren Blick zuwarf, bevor er sich verdrückte. Dennoch verhielt er sich nicht unhöflich. Er nannte Miguel zwar Judenmann, als ob dieser Name besonders geistreich oder ein Zeichen ihrer engen Freundschaft wäre. Er schlug Miguel auf den Rücken, immer ein wenig zu heftig, um darin eine liebenswürdige Geste zu sehen. Wenn sie jedoch alle drei zusammensaßen und Miguel still wurde, weil ihn seine Probleme beschäftigten, war es stets Hendrick, der versuchte, ihn aufzumuntern, der ein zotiges Liedchen anstimmte oder eine derbe Geschichte erzählte, die oft auf seine eigenen Kosten ging; zum Beispiel die über das eine Mal, als er fast in einem Graben voller Pferdemist ertrunken wäre. Miguel hätte niemals jemandem auch nur ein Wort davon erzählt, wäre ihm so etwas passiert, nicht einmal, um den Messias aufzuheitern.
Miguel ärgerte sich über Geertruids Verschwiegenheit in
dieser Angelegenheit, andererseits schätzte er die Eigenschaft an ihr, dass sie im Stande war, ein Geheimnis zu bewahren. Sie wusste, dass Miguel durch ihre Freundschaft in Schwierigkeiten mit dem Ma’amad geraten konnte, und ließ sich deshalb selten in Wirtshäusern blicken, wo Juden versammelt waren – oder falls sie dort zu tun hatte, gab sie vor, Miguel nicht zu kennen. Gewiss war er schon dabei gesehen worden, wie er vertraulich mit ihr sprach, aber das war ja das Schöne daran, dass sie eine Frau war – sie war unsichtbar für die Männer seines Volkes. Wenn sie sie überhaupt wahrnahmen, dann als Miguels Hure; er war sogar ab und zu damit geneckt worden, dass er seine Holländerinnen wohl überreif möge.
6
Miguel traf eine Viertelstunde vor Mittag – dann würden sich die Tore der Börse öffnen – auf dem Dam ein. Es herrschte bereits dichtes Gedränge, und lautstarke Diskussionen erfüllten den Platz und hallten von den Mauern der umliegenden Gebäude wider. Die Bürgermeister hatten den Börsenhandel auf die Zeit zwischen zwölf und zwei beschränkt, weil die Gilden sich darüber beklagt hatten, dass der Lärm ihre Geschäfte in der Stadt störte. Miguel fand das absurd. Die Geräusche des Handels waren ein finanzielles Aphrodisiakum; sie trieben die Leute an, ihre Taschen zu leeren. Wenn die Öffnungszeiten doppelt so lang wären, wäre die Stadt doppelt so reich.
Miguel liebte die Spannung, die sich kurz vor der Öffnung der Tore der Börse auf dem Platz breit machte. Die Gespräche verebbten zu einem leisen Summen. Hunderte von Männern sahen aus wie Schnellläufer, die auf das Startsignal warteten.
Überall auf dem Dam verhökerten Hausierer Brot und Pasteten und Kinkerlitzchen, umgeben von den prächtigen
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