Der Kaffeehaendler - Roman
nützen könnten. Da hörte er ein Satzfragment, das ihn mit einem Ruck aus seiner Betäubung riss.
»... ein trauriges Ende für die Indian Flower «, erklärte eine Stimme mit der erzählerischen Inbrunst, die nur bei einem betrunkenen Holländer zu finden war. »Leer geräumt, bis nichts mehr übrig war als ein Haufen verzagter Seeleute, die sich voll schissen.«
Miguel drehte sich langsam um. Er besaß Anteile an der Indian Flower – etliche sogar. Durch einen Sumpf bierseliger Verwirrung watend, versuchte er sich zu erinnern, wie viel er investiert hatte. Fünfhundert Gulden? Siebenhundert? Nicht genug, um einen Mann zu ruinieren, der so gut dastand wie er, aber doch ausreichend, um den Verlust nicht als unbedeutend abzutun, besonders, da er seinen erwarteten Gewinn bereits angelegt hatte.
»Was haben Sie gesagt?«, fragte Miguel den Sprecher. »Die Indian Flower ?«
Erst jetzt warf er einen Blick auf den Mann, einen angegrauten Burschen mittleren Alters mit dem fleckigen Gesicht des lebenslangen Matrosen. Seine Gefährten gehörten alle zu der raubeinigeren Sorte Holländer, die die näher an den Docks gelegenen Schenken frequentierten.
»Die Indian Flower wurde von Piraten gekapert«, berichtete der Ältere. »Ich habe jedenfalls gehört, dass es Piraten waren. Sie stehen alle im Dienst der spanischen Krone, wenn Sie mich fragen.«
»Wie haben Sie davon erfahren?«, wollte Miguel wissen. Er rang die Hände, die sich vom vielen Trinken unangenehm schwammig anfühlten, doch sein Kopf wurde allmählich schon wieder klar.
»Ich habe einen Kameraden auf der Glory of the Palm «, erläuterte der Mann, »die heute Nachmittag eingelaufen ist. Er hat mir die Neuigkeit erzählt.«
Heute Nachmittag. Noch wusste niemand Bescheid. Vielleicht konnte er das Wrack bergen.
»Haben Sie ein bestimmtes Interesse an dem Schiff?« Einer der Gefährten des Mannes sprach. Er war jünger als der Rest und sah weniger nach Matrose aus.
»Und wenn?« Es sollte keine Herausforderung sein. Die beiden Männer stellten einander auf die Probe.
»Vielleicht wäre ich in der Lage, Ihnen meine Dienste anzubieten«, sagte der reichlich zerlumpte Händler. »Bis morgen um diese Zeit wird es sich herumgesprochen haben, dann taugen Ihre Anteile zu nichts weiter als zum Arschabwischen. Heute Abend dagegen könnten sie noch etwas wert sein.«
»Etwas mehr als Arschabwischpapier«, erklärte einer seiner Freunde.
»Was sind sie heute Abend wert?« Miguel erkannte einen
Ränkeschmied, wenn er einen sah, doch Intrigen machten sich in der Stadt breit wie Blut, das durch die Adern floss, und nur ein Narr würde sich weigern zuzuhören.
»Wenn Sie für fünfzig Prozent verkaufen wollen, nehme ich Ihnen die Last ab.«
Miguel hatte keine Lust, die Hälfte seiner Investition zu verlieren, aber noch weniger die ganze. Trotzdem, irgendetwas kam ihm merkwürdig vor. »Wenn das Schiff gekapert worden ist, was nützen Ihnen dann die Anteile?«
»Ich verkaufe sie natürlich. Wenn die Börse morgen öffnet, schaffe ich sie mir für fünfundsiebzig oder achtzig Prozent vom Hals. Bis die Börse von der Nachricht erfährt, bin ich sie los.«
»Und warum sollte ich nicht dasselbe tun?«, fragte Miguel. »Dann hätte ich achtzig Prozent anstatt bloß fünfzig.«
»Das könnten Sie«, sagte der Mann, »aber es besteht immer das Risiko, dass die Neuigkeit Sie auf dem Weg zur Börse überholt. Außerdem kennt man Sie; wenn Sie verkaufen, könnte Ihr Ruf leiden. Ich bin es gewohnt, meinem Gewerbe in Den Haag nachzugehen, deshalb werde ich hier nicht zur Rechenschaft gezogen.«
Miguel legte die Hände an seine Stirn. Er konnte das moralische Problem, das sich auftat, nicht völlig ignorieren: Wenn er seine Anteile an diesen Burschen verkaufte, würde er wissentlich zulassen, dass eine unbekannte Person etwas erwarb, das wertlos war. Sagten die Weisen nicht, dass ein Mann, der einen Mitmenschen auch nur um die kleinste Münze beraubt, ebenso sündig sei wie ein Mörder? Andererseits war jede Investition riskant. Als Miguel die Anteile gekauft hatte, hatte er nicht gewusst, dass das Schiff von Piraten gekapert werden würde, und doch war es geschehen; vielleicht war es Bestimmung. Sicher kannte der Allmächtige das Schicksal des Schiffes, doch Miguel glaubte nicht, dass der Heilige, gesegnet sei
Er, ihn betrogen hatte. Was für einen Unterschied machte es, wenn irgendjemand vorher Bescheid wusste?
Der Händler sah Miguel seine Zweifel an. »Ganz wie Sie
Weitere Kostenlose Bücher