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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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Frage brachte sie wohl gegen mich auf. Keiner lässt gern seine Scheinheiligkeit offen zutage treten.
    Nachdem die Befragungen abgeschlossen waren, forderten mich die Parnassim auf, draußen zu warten. Als sie mich wieder hereinriefen, nach über einer Stunde, verkündeten sie ihren Beschluss. Ich sollte die Männer, für die ich vermittelt hatte, bitten, ihre Verkäufe rückgängig zu machen. Anders gesagt, die armen Juden sollten ihre Steine zurückkaufen.
    Ich hatte die Menschen gesehen, für die ich makelte. Sie waren arm, in Lumpen gekleidet, von Elend und Verzweiflung niedergedrückt. Viele hatten ihre Eltern oder Kinder oder Frauen an die grausamen Polen oder Kosaken verloren. Sie aufzusuchen und aufzufordern, Geld zurückzugeben, das sie bestimmt nicht mehr besaßen, weil sie es ausgegeben hatten, um nicht zu verhungern oder nackt herumzulaufen, erschien mir nicht nur absurd, sondern unrecht. Um die Verkäufe rückgängig zu machen, hätte ich jene Steine mit meinem eigenen Geld zurückkaufen müssen, und Parido wusste gewiss, dass ich das ablehnen würde.
    Der Rat drängte mich, es mir nochmals zu überlegen, aber ich schwor, dass ich einer solch unvernünftigen Forderung nie Folge leisten würde. Daraufhin sagten mir die Parnassim , ich würde sie dazu zwingen, und sie hätten keine andere Wahl, als den Heiligen Bann, den Cherem, über mich zu verhängen – mich also zu exkommunizieren.

    Der Bann wurde häufig verhängt. Meistens galt er für einen Tag oder eine Woche, manchmal aber auch für immer. Und so sollte es in meinem Fall sein. Mehr noch, Parido machte den Tudescos klar, dass sie, falls sie mir Zutritt zu ihrer Synagoge gewährten, dafür büßen müssten. Er schrieb an die Ma’amads jeder Gemeinde, nannte ihnen meinen Namen und sprach auf übertriebenste Weise über mein Verbrechen. Ich war ein Verfemter geworden, der sich, das Kainszeichen auf der Stirn, nirgendwo mehr hinwenden konnte.
    Sie hatten sich dafür entschieden, mich wie einen Schurken zu behandeln. Was blieb mir anderes übrig, als tatsächlich einer zu werden?

5
    Miguel hatte Geertruid ein knappes Jahr, ehe sie ein Geschäft mit Kaffee vorschlug, kennen gelernt. Es war im Schnellboot gewesen, einer Schenke in einer Seitenstraße der Warmoesstraat, so nahe an der Börse gelegen, dass Kaufleute sie als deren Anhängsel betrachteten, als einen Ort, wo sie weiter Handel trieben, wenn die Tore der Börse geschlossen waren. Obgleich der Besitzer Holländer war, bot er auch jüdischen Händlern Getränke, die ihren Speisegesetzen entsprachen. Jüdische Knaben der portugiesischen Nation wurden dazu angeheuert, die Trinkgläser der Juden separat und in Übereinstimmung mit den jüdischen Geboten zu säubern, und gelegentlich inspizierte ein Rabbi die Küche. Wie ein General, die Hände auf dem Rücken, stolzierte er dann umher und spähte in Schränke und Gefäße. Der Wirt nahm das Doppelte des gängigen Preises für Wein und Bier, doch jüdische Kaufleute zahlten ihn gern, weil sie nur so Gelegenheit hatten, mit gutem Gewissen in einer holländischen Schenke Geschäfte zu machen.
    Miguel hatte hier nach Börsenschluss ein Gespräch mit einem Zuckerhändler fortgesetzt, und die beiden Männer hatten sich einen Tisch genommen und stundenlang über ihr Geschäft geredet und dabei mit niederländischer Intensität getrunken. Der Zuckerhändler war einer von jenen gutmütigen
Holländern, die Juden und ihre fremdartigen religiösen Bräuche faszinierend fanden. In der Vlooyenburg wimmelte es von Männern wie ihm, die Hebräisch lernen oder jüdische Theologie studieren wollten, zum einen, weil es ihnen half, ihren eigenen Glauben besser zu verstehen, zum anderen, weil die Holländer sich vom Fremden seltsam angezogen fühlten. Das strenge Verbot der religiösen Debatte mit Nichtjuden, das der Ma’amad ausgesprochen hatte, machte Miguel nur noch interessanter, und der Kaufmann hatte ein Getränk nach dem anderen spendiert in der spielerischen Absicht, Miguels Zunge zu lösen. Irgendwann gab er auf und verkündete, er müsse nach Hause zu seiner Frau, um nicht ihren Zorn auf sich zu ziehen.
    Erwärmt vom Bier, war Miguel nicht in der Stimmung gewesen, in die Einsamkeit seines eigenen Heims zurückzukehren, deshalb blieb er am Tisch sitzen und trank in aller Ruhe weiter, während er träge an einer Pfeife mit gutem Tabak sog. Um ihn herum wirbelten Gesprächsfetzen, und er fing mit halbem Ohr ein Gerücht oder einen Hinweis auf, die ihm

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