Der Kaffeehaendler - Roman
dem iberischen Wohlstand in Kontakt kommen zu lassen – ein Manöver, wie sie glaubten, das Amsterdam weniger anziehend machen würde als andere Städte, in denen es ihrem Volk wohl erging. Deshalb war es Tudescos verboten, ihre Kinder in Schulen anzumelden, die von portugiesischen Juden
geleitet wurden. Sie durften keine Stellung in einer portugiesischen Synagoge bekleiden. Ihr Fleisch wurde für unrein erklärt und war in portugiesischen Haushalten verboten, sodass ihre Metzger nicht an uns verkaufen konnten. Der Ma’amad erklärte es sogar zu einem Verbrechen, auf das als Strafe die Exkommunikation stand, einem Tudesco Almosen zu geben, es sei denn durch eine der offiziellen Wohltätigkeitseinrichtungen. Diese Einrichtungen waren der Meinung, die größte Wohltat sei eine Schiffspassage heraus aus Amsterdam, also konnte es nicht gut sein, sie zum Bleiben zu ermutigen, indem man ihnen ein, zwei Stuiver in die gierigen kleinen Hände drückte.
All dies wusste ich, aber ich dachte nicht weiter daran, als ich von einem Mitglied der Tudesco-Gemeinde angesprochen wurde. Viele der Flüchtlinge, so berichtete er mir, hätten es geschafft, mit ein, zwei Edelsteinen, versteckt am Körper, aus dem Land ihrer Unterdrücker zu entkommen. Er wollte wissen, ob ich bereit sei, diese Steine an portugiesische Händler zu vermitteln. Er schlug vor, ich solle ein wenig mehr als den niedrigsten Preis verlangen mit der Erklärung, die Steine gehörten unglücklichen Wanderern, die einen Neuanfang ersehnten, und nur einen Bruchteil der üblichen Maklergebühr nehmen. So könnte ich ein paar zusätzliche Gulden verdienen und dabei noch eine gute Tat vollbringen, die mir das Wohlwollen des Heiligen, gesegnet sei Er, einbringen würde.
Mehrere Monate lang war ich in der Zeit, die ich dafür erübrigen konnte, in dieser Angelegenheit tätig. Eine Flasche Wein als Geschenk, ein Lächeln, ein Wort über die Wichtigkeit der Nächstenliebe, und die meisten Händler waren schnell bereit, ein paar Gulden für einen Stein auszugeben, wenn sie damit einer armen Familie helfen konnten, einen friedlichen Sabbat zu genießen. So lief es, bis ich eines Tages nach Hause kam und einen Brief an mich vorfand, geschrieben in blumigem
Spanisch, mit zierlicher Handschrift verfasst. Ich war vor den Ma’amad bestellt worden.
Noch dachte ich mir nichts dabei. Jeder Mann fand sich früher oder später vor dem Ältestenrat wieder. Ein Gerücht über unreine Speisen, die er gegessen, oder eine holländische Dirne, die er geschwängert haben sollte. Der Rat selbst war nicht viel schlimmer als ein Haufen alter Weiber, die nur ein beschwichtigendes Wort hören wollten, um sich wieder zu beruhigen. Ich wusste, dass Solomon Parido, mein alter Feind, jetzt einen Platz im Rat innehatte, doch ich glaubte nicht, dass er seine Macht für ruchlose Zwecke nutzen würde.
Aber genau das tat er. Er saß da, steif in seinem bunt gestreiften Anzug, und starrte mich an. »Senhor Alferonda«, sagte er, »Ihnen ist doch gewiss die Vorschrift des Ältestenrates bekannt, dass den Tudescos nur durch die Wohltätigkeitseinrichtungen der Synagoge Unterstützung zukommen darf.«
»Natürlich, Senhor«, sagte ich.
»Warum haben Sie dann Männer unserer Nation, gesetzestreue Männer, in Ihre üblen Machenschaften mit dem Juwelenhandel verstrickt?«
»Meine üblen Machenschaften, wie Sie es nennen, helfen den Armen. Und Sie haben zwar verboten, den Tudesco-Bettlern Münzen zuzuwerfen, doch Sie haben nichts über den Handel mit ihnen gesagt.«
»Ist es nicht dasselbe wie Münzen zuzuwerfen, wenn Sie Kaufleute bitten, mehr zu geben, als sie zahlen wollen, sodass der Verkäufer dieses Geld nehmen und damit tun kann, wie ihm beliebt?«
» Wie ihm beliebt«, betonte ich, »bedeutet oft, Brot zu kaufen.«
»Das geht Sie nichts an«, sagte ein anderes Mitglied des Rates. »Es gibt Wohltätigkeitseinrichtungen, die dafür sorgen, dass diese Menschen nicht verhungern.«
Mein Vergehen war eigentlich geringfügig, doch Parido stellte es in das schlechtestmögliche Licht. Er hetzte die anderen Parnassim gegen mich auf. Er stachelte mich dazu an, im Zorn zu sprechen. Und trotzdem, obwohl ich all das erkannte, konnte ich nicht anders als zornig werden. Ich hatte nichts Unrechtes getan. Ich hatte keines der heiligen Gesetze übertreten. Ich hatte sogar das Gebot befolgt, Nächstenliebe zu üben. Wurde ich jetzt dafür bestraft, dass ich getan hatte, was die Thora gebietet? Vor allem diese
Weitere Kostenlose Bücher