Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
Vom Netzwerk:
spürte, wie es in seinem Schädel zu trommeln begann. »Heute? Ich habe meine Walfischtranterminkontrakte noch nicht gekauft. Ich wollte bis nach dem Abrechnungstag
warten.« Er spuckte auf den Boden. »Was für ein vermaledeites Pech. Alles geplant und jetzt für nichts – wegen eines einzigen Tages. Ich hätte die Terminkontrakte morgen Früh gekauft.«
    »Vergessen Sie die Terminkontrakte für einen Moment.« Alferonda schüttelte den Kopf. »Sie haben so lange mit windigen Papieren Geschäfte gemacht, dass Sie den schlichten Handel ganz außer Acht gelassen haben. Kaufen Sie Walfischtran – keine Terminkontrakte, sondern die Ware selbst. Vielleicht entsinnen Sie sich, dass der Rest der Welt immer noch auf diese altmodische Weise Geschäfte tätigt. Dann können Sie vor dem heutigen Börsenschluss, das, was Sie erworben haben, mit ansehnlichem Gewinn verkaufen. Es ist alles ganz einfach.«
    Miguel lachte und packte Alferonda bei den Schultern. »Sie haben Recht. Es ist wirklich einfach. Danke, dass Sie mir Bescheid gegeben haben.«
    »Ach, das ist doch gar nichts. Ich freue mich stets, wenn ich meinen Freunden behilflich sein kann.«
    »Das weiß ich«, sagte Miguel und schüttelte ihm nach holländischer Gepflogenheit die Hand. »Sie sind ein guter Mensch, Alonzo. Der Ma’amad hatte keine Ahnung, als er Sie so schlecht behandelte.« Miguel wünschte sich jetzt nichts sehnlicher, als loszulaufen und an der Börse ans Werk zu gehen. Geertruid hatte Recht: Kaffee war das Getränk des Handels, denn der Kaffee, den er heute Morgen getrunken hatte, erwies sich jetzt als Antrieb, endlich aktiv zu werden.
    »Ehe Sie davoneilen«, sagte Alferonda, »möchte ich Sie etwas fragen. Ich habe gehört, dass Parido Ihnen geholfen hat, Weinbrandterminkontrakte zu verkaufen, die Ihnen wie eine Schlinge um den Hals lagen.«
    »Ja, das stimmt. Was ist damit?«
    »Was damit ist? Was damit ist, fragen Sie? Lassen Sie mich eines sagen, Miguel: Solomon Parido vergisst eine alte Rechnung
nie. Wenn er Ihnen geholfen hat, dann deshalb, weil er etwas anderes im Sinn hat, und Sie täten gut daran, auf der Hut zu sein.«
    »Glauben Sie, dass mir der Gedanke nicht auch gekommen ist? Parido ist aus Salonika, und ich bin aus Portugal. Er ist als Jude aufgewachsen, ich als angeblicher Katholik. Wenn es um Täuschung geht, kann er mich nicht schlagen.«
    »Mich hat er geschlagen«, sagte Alferonda verbittert. »Er mag ja nicht so gerissen sein wie wir heimlichen Juden, aber er hat die Macht des Ma’amad hinter sich, und das wiegt eine Menge auf. Bevor Sie ihn so leichtfertig abtun, sollten Sie daran denken, wie hart es ist, am Yom Kippur , am höchsten Feiertag, keine Synagoge betreten zu dürfen, am Passahfest nie wieder an einem Seder teilnehmen, nie wieder die Sabbat-Braut begrüßen zu können. Und was ist mit Ihren geschäftlichen Verbindungen? Ihre Kollegen könnten Angst haben, sich mit Ihnen zusammenzutun! Falls Sie vorhaben, mit Kaffee zu handeln, mein Freund, dann passen Sie auf, dass Parido Ihren Plan nicht vereitelt.«
    »Sie haben natürlich Recht«, sagte Miguel ungeduldig.
    »Sie dürfen nicht so leichtgläubig sein«, drängte ihn Alferonda.
    »Ich verstehe.«
    »Gut. Dann wünsche ich Ihnen Glück bei Ihrem heutigen Unternehmen.«
    Miguel brauchte kein Glück. Er verfügte über Kenntnisse, die sonst keiner besaß. Und er hatte Kaffee.
     
    Während er durch den großen Torbogen der Börse schritt, schloss er die Augen und murmelte ein halb vergessenes Gebet vor sich hin, das ihm für sein heutiges Vorhaben Kraft geben sollte. Der Heilige, gesegnet sei Er, hatte ihn noch nicht verlassen. Dessen war Miguel sich sicher, fast sicher.

    Das Gespräch mit Alferonda hatte nur wenige Minuten gedauert, doch schon hatte sich seit der tumultartigen Öffnung der Tore der Lärm in der Börse gelegt. An Abrechnungstagen streiften die Händler umher und überprüften, wie die Preise standen, um ihre Kurse gegen unerwartete Schwankungen abzusichern. Innerhalb der ersten Viertelstunde hatten die meisten bereits in Erfahrung gebracht, was sie wissen mussten.
    Miguel eilte in die nordwestliche Ecke der Börse und traf auf einen holländischen Bekannten, der im Russlandhandel tätig war, und von dem er Walfischtran kaufen konnte. Der gegenwärtige Preis lag bei 37,5 Gulden pro Vierteltonne, und Miguel erwarb fünfzig Viertel zu knapp neunzehnhundert Gulden – ein Betrag, den er sich nicht leisten konnte zu verlieren, vor allem, da es ein

Weitere Kostenlose Bücher