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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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hinab. Jeder Holländer hätte so etwas abrasiert. Der Einzige, der seinen Bart so tragen würde, war ein Jude – einer, der angestrengt versuchte, nicht jüdisch auszusehen.
    Es gab keinen Zweifel. Dies waren Ma’amad-Spitzel.

16
    Als das Boot Amsterdam erreicht hatte, machte Miguel einen kleinen Umweg, um zu sehen, ob die zwei Männer ihm folgten, aber nachdem sie kurz ihre auf und ab wippenden Köpfe zusammengesteckt hatten, gingen beide in Richtung Börse. Miguel blieb ein paar Minuten am Kanal stehen und blickte in den bewölkten Himmel, ehe er einer alten Frau mit Schubkarre eine Birne abkaufte. Sie schmeckte mehlig, wie Petersilienwurzel, und nach einem Bissen warf er sie auf die Straße. Die Frau stieß ihren wackligen Karren weiter, fest entschlossen, Miguels Missfallen nicht zur Kenntnis zu nehmen, während zwei schmutzige Jungen sich auf die Überreste stürzten. Den Geschmack von verfaulter Birne noch auf der Zunge, befand Miguel, dass es zu spät war, um an der Börse noch viel auszurichten, und ging nach Hause.
    Die Spitzel hatten ihn durcheinander gebracht, und er drehte sich immer wieder um, um bei Bettlern und Dienstboten und Bürgern, die die Straßen entlangspazierten, nach verdächtigen Zeichen Ausschau zu halten, die ihre wahre Identität verrieten. Das ist keine Art zu leben, sagte er sich; er durfte seine Tage nicht damit verbringen, vor jedem Schatten zu erschrecken. Doch als er sich gerade beruhigt hatte, erblickte er, als er die Brücke in die Vlooyenburg überquerte, mitten auf der Straße Hannah – trotz ihres Schleiers erkannte
Miguel sie sofort – und neben ihr Annetje. Und Joachim Waagenaar.
    Joachim hatte die Frauen in eine Ecke gedrängt. Es war nichts Bedrohliches an seinen Gesten, und er wirkte gelassen. Ein vorübergehender Fremder hätte an der Szene vielleicht nichts Merkwürdiges gefunden – obwohl es ungewöhnlich war, dass eine verschleierte Frau sich mit so einer Kreatur unterhielt.
    Annetje sah Miguel zuerst. Ihr Gesicht leuchtete auf, und sie holte tief Luft, sodass ihr Busen in dem hübschen blauen Mieder wogte, das zu ihrer schönen Haube passte.
    »Oh, Senhor Lienzo!«, rief sie aus. »Retten Sie uns vor diesem Wahnsinnigen!«
    Miguel wandte sich auf Portugiesisch an Hannah. »Hat er Ihnen etwas zuleide getan?«
    Sprachlos schüttelte sie den Kopf.
    Dann schlug ihm der Gestank entgegen. Der Wind musste sich gedreht haben, denn der Geruch kam erst jetzt in seine Richtung. Miguel war schier überwältigt. Die Holländer waren ein peinlich sauberes Volk, das sich öfter wusch, als es für den Körper gesund war. Diese Angewohnheit hatte Joachim offenkundig aufgegeben; er stank übler als der ungewaschenste portugiesische Bauer. Es war mehr als Körpergeruch; es roch nach Urin und Erbrochenem und – Miguel brauchte einen Moment – verwestem Fleisch. Wie konnte ein Mann nach verwestem Fleisch riechen?
    Er schüttelte den Kopf, ein Versuch, die betäubende Wirkung des Gestanks auszuschalten. »Eilt nach Hause«, sagte er zu Hannah. »Erzählt niemandem hiervon.« Die zwei Frauen rückten langsam von Joachim ab. »Und sorgen Sie dafür, dass das Mädchen den Mund hält, sonst werfe ich sie raus.«
    Dann wandte er sich an Joachim. »Treten Sie zurück.«
    Zu Miguels Erleichterung gehorchte er. Die Frauen schlüpften
an ihm vorbei, wobei sie den Rücken an die Wand drückten, um den Abstand zwischen sich und dem Holländer möglichst groß zu halten. Sobald sie ihm entwischt waren, liefen sie flotten Schrittes davon.
    »Gehen wir«, befahl Miguel. »Über die Brücke. Sofort.«
    Wieder gehorchte Joachim wie ein Dienstbote, der von seinem Herrn bei etwas Unerlaubtem ertappt worden ist. Miguel schaute sich um, ob jemand, den er kannte, Zeuge des Vorfalls geworden war, und dankte dem Heiligen, gesegnet sei Er, mit einem gemurmelten Gebet dafür, dass die Spitzel ihm nicht nach Hause gefolgt waren, und dass diese Katastrophe sich während der Börsenstunden zugetragen hatte, in denen jeder, der es nicht gut mit ihm meinte, seinen Geschäften nachging.
    Sobald sie die Brücke über die Houtgracht überquert hatten, geleitete Miguel Joachim zu einem kleinen Gehölz am Kanal, wo sie unbeobachtet miteinander sprechen konnten.
    »Ist denn von Ihrem früheren Selbst nichts mehr übrig? Wie können Sie es wagen, sich der Frau meines Bruders zu nähern?« Miguel stellte sich so hin, dass er möglichst wenig von Joachims Gestank abbekam.
    Joachim schaute ihn kaum an. Stattdessen

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