Der Kaffeehaendler - Roman
rasenden Lärm anschwoll. Einem rundlichen kleinen Holländer wurde in dem Durcheinander der Hut vom Kopf geschlagen, und nachdem er zugesehen hatte, wie er zertrampelt wurde, eilte er davon, zufrieden, nur etwas von geringem Wert eingebüßt zu haben statt eine große Summe. Die Männer, die mit Diamanten, Tabak, Getreide und ähnlichen Gütern handelten und sich von Spekulationen fern hielten, standen daneben und schüttelten verständnislos den Kopf.
Die Ostindien-Anteile wurden zu einem bestimmten Prozentsatz ihres ursprünglichen Wertes gehandelt. Sie hatten heute Morgen mit knapp über vierhundert Prozent eröffnet. Miguel fand einen Makler und legte fünfhundert Gulden an, die er nicht hatte, indem er kaufte, als der Preis auf dreihundertachtundsiebzig Prozent gesunken war. Er versicherte seinem Händler, dass das Geld auf seinem Konto bei der Börsenbank bereitläge, obwohl er wusste, dass er es sich nicht leisten konnte, noch mehr von diesem Geld für seine eigenen Geschäfte zu verwenden.
Sobald er seine Aktien in der Hand hatte, bewegte Miguel sich auf den Rand der Händlergruppe zu, um die Preisveränderungen zu kontrollieren. Da bemerkte er Solomon Parido, der anscheinend ebenfalls Anteile der Ostindischen Kompanie kaufte. Als er Miguel sah, kam er herübergeschlendert.
»Diese Konsortien«, sagte der Parnass laut, um den Lärm zu übertönen. »Ohne sie gäbe es keinen Markt. Sie lassen die Preise steigen und fallen wie die Gezeiten.«
Miguel nickte, achtete aber weniger auf den Parnass als auf die Verkäufer, die ihre Gebote ausriefen. Die Preise waren erneut gesunken und lagen jetzt bei dreihundertvierundsiebzig Prozent.
Parido legte Miguel eine Hand auf die Schulter. »Ich habe Gerüchte gehört, Senhor Lienzo, dass sich bei Ihnen etwas Neues anbahnt – dass Sie gewisse Pläne haben.«
»Manchmal kommt es einem Mann gar nicht gelegen, Gegenstand von Gerüchten zu sein«, erwiderte Miguel mit einem, wie er hoffte, aufrichtig wirkenden Lächeln. »Und jetzt ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu reden.« Er deutete auf die Menge der Händler mit Ostindien-Anteilen. Er hörte den Ausruf »dreihundertsechsundsiebzig!«
»Achten Sie nicht darauf. Die Aktien der Ostindischen Kompanie steigen und fallen so schnell, dass es kaum darauf ankommt, was man an diesem oder jenem Tag kauft oder verkauft. Sie würden doch einen Parnass gewiss nicht damit beleidigen wollen, dass sie sich weigern, wegen eines solchen Chaos mit ihm zu sprechen.«
Miguel hörte ein Kaufgebot über dreihunderteinundachtzig, mehr, als er bezahlt hatte, aber nicht genug, um ans Verkaufen zu denken. »Ich muss meinen Geschäften nachgehen«, sagte er mit bemüht ruhiger Stimme.
»Ich finde es seltsam, dass Sie der Inhalt dieser Gerüchte nicht interessiert. Beim Ma’amad habe ich gelernt, dass ein Mann, der nicht fragt, was man ihm vorwirft, ausnahmslos schuldig ist.«
»Das mag beim Ma’amad so sein, doch nicht hier an der Börse, wenn dieser Mann versucht, Geschäfte zu tätigen. Und es sind keinerlei Vorwürfe gegen mich erhoben worden.«
»Trotzdem«, sagte Parido.
Der Preis fiel wieder auf dreihundertneunundsiebzig Prozent, und Miguel verspürte einen Anflug von Panik. Keine Angst, versicherte er sich. Er hatte derartige Einbrüche schon früher miterlebt, und sie würden nur wenige Minuten andauern. Einen Augenblick konnte er für diesen Unsinn mit Parido erübrigen, aber nur einen Augenblick. Dennoch gelang es ihm
nicht, ganz ruhig zu bleiben. »Dann erzählen Sie mir, was Sie gehört haben«, sagte Miguel.
»Dass Sie ein neues Unternehmen planen. Etwas im Kaffeefruchthandel.«
Miguel wedelte abwehrend mit der Hand. »Dieses Kaffeegerücht setzt mir regelrecht zu. Vielleicht sollte ich einsteigen, damit ich die vielen Neugierigen nicht enttäusche.«
Er vernahm neue Verkaufsgebote. Dreihundertachtundsiebzig. Dreihundertsechsundsiebzig.
»Sie handeln nicht mit Kaffee?«
»Ich wünschte, ich täte es, Senhor. Wie gern würde ich mich an einem Geschäft beteiligen, das für Männer wie Sie – und meinen Bruder – von so großem Interesse ist!«
Parido runzelte die Stirn. »Es ist eine schreckliche Sünde, auf die der Cherem steht, einen Parnass zu belügen.«
Ehe Miguel sich beherrschen konnte, übermannte ihn die Entrüstung, angefacht von Kaffee. »Wollen Sie mir drohen, Senhor?«
»Unsere gemeinsame Vorgeschichte ist voller Misstrauen, stimmt’s nicht, Lienzo? Ich habe in der
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