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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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eine Alternative in Betracht«, sagte Daniel nach einer Weile.
    »Welche Alternative?«
    »Im Austausch gegen Auskünfte über deine Kaffeegeschäfte sowie gegebenenfalls die Möglichkeit, in dein Projekt zu investieren, könnte ich meine finanziellen Forderungen an dich zurückstellen.«
    »Warum willst du nicht glauben, dass ich nichts mit Kaffee zu schaffen habe?«, fragte Miguel.
    Daniel starrte ihn einen Moment lang an und schaute dann beiseite. »Ich lasse dir die Wahl, Miguel. Du kannst tun, was du für richtig hältst.«
    Daniel ließ ihm keine Wahl: sofort tausend Gulden verlieren oder in wenigen Tagen alles.
    »Ich werde dir das Geld überweisen«, sagte Miguel, »aber du sollst wissen, dass ich dir deine Forderung übel nehme, weil sie meine Geschäfte beeinträchtigt und es mir noch schwerer macht, mich von meinen Schulden zu befreien. Doch eins verspreche ich dir: Ich werde nicht zulassen, dass deine Kleinlichkeit meine Geschäfte behindert. In ein paar Monaten bin ich schuldenfrei, dann wirst du es sein, der mich anbettelt.«
    Daniel lächelte schmallippig. »Das werden wir ja sehen«, sagte er.

    Am nächsten Morgen war es so weit, Miguel schluckte die bittere Arznei und überwies das Geld an seinen Bruder. Mit erstickter Stimme erteilte er dem Angestellten der Börsenbank den Auftrag. Es musste sein.
    Während er tagsüber seinen Geschäften nachging, versuchte er, nicht daran zu denken, dass von den dreitausend Gulden, die Geertruid ihm anvertraut hatte, kaum mehr als tausend übrig waren.

    Aus
    Die auf Tatsachen beruhenden und aufschlussreichen Memoiren des Alonzo Alferonda
    Ich habe vielleicht schon erwähnt, dass Miguel einige Jahre älter ist als ich, und dass ich ihn nicht gut kannte, als ich ein Knabe war. Ich kannte jedoch seinen Bruder, und wenn ich nicht von meinem Vater gehört hätte, wie überlegen und gerissen Miguel sei, hätte ich kein Interesse daran gehabt, die Familie besser kennen zu lernen.
    Daniel Lienzo war ein Kind, das schon früh seine Vorzüge und seine Unzulänglichkeiten kannte. Er hatte nicht annähernd dieselbe körperliche Kraft wie die anderen Knaben, mit denen wir spielten, doch er war wesentlich schneller. Da er es verstand, sich seine Stärken zunutze zu machen, wollte er von Ringkämpfen nie etwas wissen, sondern bestand darauf, dass wir den ganzen Tag um die Wette rannten. Er wollte nur Sport treiben, wenn er siegen konnte.
    Obgleich alle wussten, dass er der Liebling seines Vaters war, beklagte er sich bitterlich über seinen Bruder, nur weil er die Ungerechtigkeit nicht akzeptieren wollte, dass Miguel älter, größer und belesener war als er. »Mein Bruder vergeudet seine Zeit damit, jüdische Bücher zu studieren«, pflegte er uns in verschwörerischem Flüsterton zu erzählen, als ob wir Übrigen nicht von unseren Vätern beiseite genommen und heimlich bei Kerzenlicht in verbotenen Dingen unterrichtet würden. »Mein Bruder denkt, er sei schon ein Mann«,
beschwerte sich Daniel. »Ständig ist er hinter den Schankmädchen her.«
    Daniel hätte ebenfalls die Thora studiert, und er wäre auch den Mädchen nachgejagt, obwohl er gar nichts mit ihnen anzufangen wusste, nur um zu beweisen, dass er es seinem Bruder gleichtun konnte. Doch diese Vorstellung war absurd. Miguel hatte eine schnellere Auffassungsgabe als Daniel, und sein Äußeres war bei den Damen weitaus beliebter. Dennoch, Daniel konnte die Kränkung nie verwinden, der Zweitgeborene zu sein.
    Ich erinnere mich, wie Daniel – ich war damals erst zwölf Jahre alt – wenige Monate, ehe wir aus Lissabon flohen, eines Tages zu uns kam und sagte, er wolle seinem älteren Bruder einen Streich spielen. Miguel hatte ein Küchenmädchen in ein ruhiges Kämmerchen in ihrem Haus gelockt, und Daniel meinte, es wäre ein Spaß, die beiden bloßzustellen.
    Natürlich war es eine dumme Idee, aber wir waren Kinder. Wir folgten Daniel in das Haus seines Vaters und dann drei Stockwerke hoch, bis wir vor einer alten Tür stehen blieben, die schief in den Angeln hing. Daniel bedeutete uns, leise zu sein, dann riss er die Tür auf.
    Drinnen sahen wir Miguel mit einem Schankmädchen, das nicht älter war als er, auf einem Kissen sitzen. Ihr Kleid war in Unordnung, und es war offensichtlich, dass sie sich betragen hatte, wie es kein braves Mädchen sollte. Beide reagierten auf unseren Anblick mit höchster Verwirrung, und wir waren, ehrlich gesagt, genauso verwirrt. Das Mädchen versuchte, ihre Röcke herabzulassen und

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