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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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genannt hat, werde ich es noch weniger tun.«
    »Dann danke ich Ihnen«, sagte Miguel, während er davoneilte, weil er nicht noch mehr Zeit vergeuden wollte.
    »Wenn ich sie sehe«, rief Hendrick ihm nach, »werde ich ihr gewiss Ihre Grüße ausrichten.«
    Dies war nicht sein Glückstag. Er beschloss aus einer Laune
heraus, die Kaffeeschenke in der Plantage aufzusuchen, doch als der Türke Mustafa die Tür öffnete – nur einen Spaltbreit, starrte er Miguel argwöhnisch an.
    »Ich bin Senhor Lienzo«, sagte Miguel. »Ich bin schon öfter hier gewesen.«
    »Heute ist für Sie geschlossen«, erwiderte der Türke.
    »Ich verstehe nicht. Ich dachte, dies sei eine öffentliche Schenke.«
    »Verschwinden Sie«, sagte der Türke und machte die Tür mit einem Knall zu.
     
    Hannah saß im Esszimmer und nahm ihr Frühstück zu sich, das aus Weißbrot mit guter Butter und einigen gelben Äpfeln bestand, die eine alte Frau ihr am Abend zuvor an der Haustür verkauft hatte. Ihr Wein war stärker gewürzt als sonst und nicht annähernd so verwässert. Annetje wusste sparsam mit dem Wein und großzügig mit Wasser umzugehen – so blieb ihr selbst mehr Wein -, deshalb war Hannah klar, dass sie etwas vorhatte. Das Mädchen wollte mit ihr reden und versuchte, ihre Zunge zu lockern.
    Miguel hatte ihr Kaffee aufgetischt, und jetzt tischte Annetje ihr Wein auf. Jeder setzte ihr mit Getränken zu, damit sie tat, was man von ihr wollte. Der Gedanke machte sie traurig, aber dennoch, Hannah konnte nicht vergessen, wie faszinierend es gewesen war, Miguels Kaffee zu trinken. Sie liebte es, die Wirkung der Frucht kennen zu lernen; sie liebte es, wie Kaffee sie anregte und belebte. Es war nicht so, als ob sie ihr zweites Ich entdeckt hätte; nein, der Kaffee ordnete ihr Innerstes, das sie bereits besaß, neu. Eigenschaften, die sonst die Oberhand hatten, traten in den Hintergrund, und andere, die sie gewöhnlich unterdrückte, kamen schwungvoll an die Oberfläche. Sie hatte vergessen, sittsam und bescheiden zu sein und genoss dieses neue Gefühl.

    Sie erkannte, zum ersten Mal vielleicht, wie Miguel sie immer gesehen hatte: still, einfältig, dumm. Diese iberischen Tugenden der Weiblichkeit übten keinen Reiz auf ihn aus. Ihm gefielen dreiste Frauen wie Annetje und die verruchte Witwe. Nun, sie konnte auch verrucht sein. Die Vorstellung ließ sie beinahe laut auflachen. Natürlich konnte sie nicht verrucht sein , doch sie konnte es sich wünschen.
    Annetje kam von der Küche herauf und warf einen Blick auf den mittlerweile leeren Trinkbecher. Daniel und Miguel hatten beide das Haus verlassen, um ihren Geschäften nachzugehen, deshalb nahm das Mädchen am Tisch Platz, was sie gern tat, wenn sie allein waren, goss sich aus der Karaffe Wein ein und kippte ihn rasch hinunter, anscheinend unbesorgt darum, wie sich ihre eigene Zunge lockern würde.
    »Hatten Sie und der Senhor ein angenehmes Gespräch gestern?«, begann sie.
    Hannah lächelte. »Du hast nicht an der Tür gelauscht?«
    In Annetjes Gesicht blitzte etwas Gewalttätiges auf. »Sie haben zu schnell in Ihrer Sprache gesprochen. Ich habe kaum ein Wort verstanden.«
    »Er hat mich gebeten, nicht über das zu reden, was passiert ist. Bestimmt hat er dir dasselbe gesagt.«
    »Das hat er, aber er hat mir keine speziellen Zaubertränke eingeflößt, damit ich gehorche. Vielleicht hat er mehr Vertrauen in mein Schweigen.«
    »Vielleicht«, stimmte Hannah zu. »Und vielleicht hast du kein Vertrauen in meines. Das willst du doch wissen, oder? Ob ich ihm von der Witwe erzählt habe.«
    »Nun, das würde ich wissen, wenn Sie von der Witwe erzählt hätten. Darauf können Sie sich verlassen. Ich sehe Ihrer Miene an, dass Sie es nicht getan, dafür aber etwas anderes angestellt haben.«
    Hannah sagte nichts. Sie schaute zu Boden und verspürte
das Aufwallen des vertrauten Schamgefühls, das sie übermannte, wenn sie vor einem Gast ihres Mannes einfach drauflosredete oder Augenkontakt mit ihm hatte.
    Annetje erhob sich und setzte sich neben sie. Sie nahm Hannahs rechte Hand in ihre beiden Hände. »Schämen Sie sich, weil Sie so vertraulich mit dem Senhor gesprochen haben?«, fragte sie einschmeichelnd, den Blick ihrer hübschen grünen Augen fest auf Hannahs gerichtet. »Ich finde es nicht schlimm, wenn Sie die harmlose Unterhaltung mit ihm genießen. Die Frauen meines Volkes tun so etwas täglich, und es schadet ihnen nicht.«
    Sie drückte Hannahs Hand. Dies war die Annetje, als die sie sich

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