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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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gleichzeitig ihr Mieder zu schließen, und brach, als es nicht gelingen wollte, in Tränen aus. Sie rief die Gnade der Jungfrau an. Sie sei zugrunde gerichtet.
    Miguel errötete, nicht aus Verlegenheit, sondern vor Entrüstung. »Lasst uns allein!«, fauchte er. »Einen Mann könnt ihr foppen, aber nur ein Feigling foppt eine junge Frau.« Vorher
waren wir nur gespannt und neugierig gewesen und hatten kindisch gekichert. Nun schämten wir uns ob unserer Neugier und vor seinem strengen Blick. Wir hatten etwas Unrechtes begangen, das zu verstehen wir zu jung waren, und unser Mangel an Verständnis machte es noch schrecklicher.
    Wir drehten uns um und rannten die Treppe hinab, doch ich hielt inne, weil ich sah, dass Daniel sich nicht bewegt hatte. Er blieb in der Tür stehen und verhinderte, dass Miguel sie schloss. Ich konnte seine Augen nicht erkennen, aber irgendwie wusste ich, dass er angestrengt starrte. Auf Miguel? Auf das Mädchen? Ich weiß es nicht, doch ihn rührten weder Miguels heiliger Zorn noch die Tränen des Mädchens.
    »Geh!«, sagte Miguel zu ihm. »Siehst du nicht, wie das Mädchen sich quält?«
    Aber Daniel stand glotzend da und lauschte dem gedämpften Schluchzen des Mädchens. Er blieb die ganze Zeit über völlig reglos.
     
    Aus welchem Grunde erwähne ich dies?, mag mein Leser sich fragen. Nun, es soll helfen, einen Teil der Feindseligkeit zwischen diesen beiden Männern zu erklären, die so viele Jahre zurückreicht, und die, soweit ich es beurteilen kann, ohne triftigen Grund war.
    Aber so verhielt es sich eben mit diesen Brüdern. Daher ist der Leser vielleicht nicht ganz überrascht, wenn er erfährt, dass es Daniel Lienzo selbst war, der Miguel über zweitausend Gulden für den Walfischtran schuldete. Miguel stand bei seinem Bruder nicht nur in keiner Schuld, sondern war sogar sein Gläubiger und argwöhnte es nicht einmal.

18
    Inzwischen waren zwei oder drei Briefe pro Woche eingetroffen, und Miguel blieb bis spät in die Nacht auf, um sie in dem schwachen Licht einer einzigen Öllampe zu beantworten. Angeregt durch Kaffee und die freudige Erwartung seines bevorstehenden Reichtums, sorgte er mit Entschlossenheit dafür, dass seine Mittelsmänner genaue Anweisungen erhielten.
    Miguel hatte Geertruid seit seiner Rückkehr aus Rotterdam nicht gesehen, was es ihm erleichterte, nicht daran zu denken, dass er den größten Teil ihres Kapitals eingebüßt hatte. Er wusste von Männern, die das Geld ihres Partners verloren und unweigerlich sofort ein Geständnis abgelegt hatten. Miguel zog es vor, mit der Falschheit zu leben, solange die Welt es ihm durchgehen ließ.
    Trotzdem wollte er Geertruid sehen und ihr von seinen Fortschritten berichten, doch Geertruid war nirgends zu finden. Sie hatte einen sehr schlechten Zeitpunkt dafür gewählt, sich zu verstecken. Miguel sandte Botschaften an alle Wirtshäuser, die in Frage kamen, und suchte auch selbst, aber er entdeckte keine Spur von ihr.
    Einmal traf er zufällig auf Hendrick, der nahe dem Damrak müßig herumstand. Er lehnte an einer Mauer und war mit seiner Pfeife beschäftigt, während er die promenierenden Männer und Frauen beobachtete.

    »He, Judenmann!«, rief er und blies seinen Pfeifenrauch jovial in Miguels Richtung.
    Miguel zögerte einen Moment und überlegte, ob er wohl so tun konnte, als hätte er Hendrick weder gehört noch gesehen, doch es nützte nichts. »Neuigkeiten von Madame Damhuis?«, fragte er.
    »Was?«, entgegnete Hendrick. »Sie erkundigen sich nicht nach meinem Befinden? Sie beleidigen mich.«
    »Es tut mir Leid, Sie verletzt zu haben«, sagte Miguel. Er hatte im Laufe der Zeit gelernt, Hendricks Schwulst zu entschärfen, indem er vorgab, ihn ernst zu nehmen.
    »Wenn es Ihnen nur Leid tut, das ist das Wichtigste. Aber Sie wünschen Madame Damhuis, und ich kann nicht hoffen, Ihnen so zu dienen wie Madame Damhuis. Ich besitze nicht ihre Reize.«
    War er eifersüchtig? »Wissen Sie, wo ich sie finden kann?«
    »Ich habe sie nicht gesehen.« Hendrick drehte den Kopf und blies eine lange Rauchfahne.
    »Vielleicht bei sich zu Hause«, setzte Miguel hoffnungsvoll an.
    »Oh nein. Da ist sie nicht.«
    »Trotzdem, ich würde ganz gern selbst nachschauen«, drängte Miguel, wobei er wünschte, er könnte raffinierter und subtiler vorgehen. »Wo finde ich denn ihr Zuhause?«
    »Das kann ich nicht sagen«, erklärte Hendrick. »Ihr Ausländer kennt unsere Bräuche wohl nicht so genau. Wenn Madame Damhuis ihre Adresse nicht

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