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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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Beschuldigungen gegen ihn vorgebracht wurden, und das war eine grässliche Ironie des Schicksals. Er hatte den Wahnsinnigen unbedingt meiden wollen, und jetzt musste er nach ihm suchen.

    Ehe Miguel noch begonnen hatte, sich eine Strategie zu überlegen, wie er Joachim finden konnte, fiel ihm etwas anderes ein, etwas, das Hendrick gesagt hatte, bevor er in der Schenke angegriffen worden war. Sie können uns eine Geschichte über Ihre amourösen Siege oder über die Eigenheiten Ihrer Rasse erzählen oder von einem waghalsigen Plan, die Börse zu erobern. Geertruid hatte geschworen, ihr Geschäft vor ihrem Wachhund geheim zu halten, weshalb also sein Gebell darüber? Und wo war die wahre Quelle ihres Geldes? Konnten sie und ihr loses Mundwerk der Ursprung für diese Vorladung sein?
    Ohne sich auch nur einen Moment Zeit dafür zu nehmen, Daniel eine Erklärung abzugeben, stürzte Miguel aus dem Haus und kehrte, Gebete murmelnd in der Hoffnung, dass Geertruid noch dort war, in den Singenden Karpfen zurück. Sie war nicht da. Miguel fragte den Wirt, der verlauten ließ, es könne gut sein, dass er etwas über ihr Ziel gehört hatte, und eine Münze würde seinem Gedächtnis vielleicht auf die Sprünge helfen; für zwei Stuiver erinnerte sich der Bursche, dass sie ein Bankett am anderen Ende der Bloomstraat besuchen wollte.
    Miguel fand den Eingang zum Bankettsaal im oberen Teil eines schlichten Hauses aus rotem Backstein. Er stieg die Treppe hoch und klopfte; als ein Dienstbote an die Tür kam, sagte Miguel lediglich, er wolle an dem Festmahl teilnehmen, und der Junge geleitete ihn die Stufen hinauf in einen weitläufigen Raum mit sechs oder sieben Tischen aus dunklem Holz, die über eine Reihe nicht zusammenpassender orientalischer Teppiche verstreut aufgestellt waren. Kerzenhalter mit guten, nicht rauchenden Kerzen ragten aus den Türpfosten und Wänden, und prächtige Kronleuchter hingen von der Decke. Dutzende von Gemälden waren ohne Rücksicht auf Abstand oder gute Sichtbarkeit aufgehängt worden. Zwei große Kamine
auf der entlegenen Seite des Raumes verbreiteten drückende Hitze, und in der Ecke spielten zwei Fiedler wie verrückt drauflos, um mit ihrer Musik den Lärm des Geschwätzes von Betrunkenen zu übertönen.
    Auf den Tischen, an denen jeweils zehn oder zwölf Bankettteilnehmer saßen, waren Speisen angehäuft: Austern, gekochtes Geflügel, ein dampfendes Gefäß mit Hutsepot , aus dem sich das Bein eines unreinen Tieres reckte wie der verzweifelt zupackende Arm eines Ertrinkenden. Es gab riesige Käseräder und Platten mit Hering, gepökelt, gebacken und geschmort. Es gab Schüsseln mit heißer Milch, auf der geschmolzene Butter schwamm, außerdem weißes Brot, Feigen und Datteln, geröstete Pastinaken und holländischer Sla , der aus gehacktem, rohem Kohl und Möhren bestand. Während Miguel ums nackte Überleben kämpfte, lebte Geertruid in Saus und Braus.
    Dralle Mädchen gingen von einem Tisch zum anderen und gossen Getränke in raffinierte Kelche ohne Stiel. Miguel war diesen Gefäßen selbst schon zum Opfer gefallen; sie ließen sich nicht abstellen und ermutigten so dazu, weitaus mehr zu trinken, als man sollte. Diese fröhliche Menge bestand überwiegend aus Männern, aber an jedem Tisch befanden sich auch ein, zwei Frauen, ebenso gerötet und betrunken und lustig wie die Ansammlung schwarz gekleideter Herren mit hohen Hüten, die sich bemühten, gleichzeitig zu trinken, zu rauchen und zu essen.
    An dem Tisch, der dem Eingang am nächsten war, saß ein Mann mit nur einem Auge und einem Arm. Mit seiner verbliebenen Hand, der linken, umklammerte er seinen Becher, unmöglich, ihn loszulassen, und sei es, um zu speisen. »He da!«, rief er über das Getöse hinweg. »Wer hat denn einen Juden eingeladen?«
    Miguel hatte Geertruid bisher nicht bemerkt. Doch dann erblickte
er sie zwischen zwei Männern, erkannte er die fehlende Anmut ihrer Bewegungen und ihre schielenden Augen. Mit einer Hand stemmte sie sich von ihrem Stuhl hoch und kam schwankend auf ihn zu.
    »Sehen Sie zu, dass Sie nüchtern werden«, schnauzte er. »Ich muss mit Ihnen sprechen. Was ist das hier überhaupt? Mit wem feiern Sie?«
    »Mit der Brauereigilde«, sagte sie.
    »Was haben Sie mit diesen Männern zu tun?«, fragte er.
    »Oh Miguel, ich darf doch wohl auch Freunde und Bekannte haben, die Sie nicht billigen. Erzählen Sie mir, was passiert ist.« Sie riss die Augen weit auf wie ein Kind.
    »Der Ma’amad. Er hat mich für morgen

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