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Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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schienen mit Henris Erklärung durchaus einverstanden zu sein.
    Henri stützte die Ellbogen auf den Tisch und drehte den Becher zwischen den Fingern.
    »Unsere Aufgabe, die wir uns selbst gestellt haben, kann nicht die von Fürsten oder Heerführern sein, die über Macht und viele Krieger verfügen können. Wir sind nur eine winzige, unbedeutende Gruppe. Wir vermögen also nur in unserer Gemeinschaft und im kleinen Kreis nach unseren Vorstellungen zu handeln. Vielleicht müssen wir auch kämpfen. Aber es wäre vermessen, wenn wir uns zu vieles und zu Großes vornehmen. Das sollten wir immer bedenken.«
    Sean und Suleiman hatten gebannt zugehört. Sie nickten einander zu. Henris Worte schienen auszudrücken, was sie dachten und empfanden.
    »Wir werden auf unsere Art kämpfen, wenn wir herausgefordert werden. Oder wenn wir eine Aufgabe verfolgen«, fügte Sean entschlossen hinzu.
    »Ich hatte es leichter, als ihr es haben werdet.« Henri redete weiter und schien in seiner Vergangenheit zu graben. »Die langen Jahre meiner Ausbildung zum Tempelritter, alle jene Prozeduren, Riten und Exerzitien, die ständige Aufforderung, den Geboten und Gesetzen der Ritterschaft zu gehorchen – das hat es mir letzten Endes leicht gemacht, so zu werden, wie ich heute bin. Ihr Jungen werdet es ungleich schwerer haben.«
    »Er sagt, dass das Wollen und Können allein nicht reichen. Die Erfahrung eines langen Lebens gehört dazu«, setzte Joshua hinzu.
    »Wie schon gesagt«, unterbrach Uthman. »Wir sollten die zarten Knäblein nicht überfordern. Als Schwert der Armen haben sie eindrucksvoll gezeigt, was sie können.«
    »Mir dünkt«, sagte Joshua mit verhaltenem Lächeln und machte eine umfassende Geste, »dass wir alle zufrieden sein sollten. Wenigstens für eine Handvoll Tage und Wochen. Das Schicksal oder die Fügung Gottes – mit welchem Namen wir auch immer ihn anreden – wird uns eine Aufgabe oder viele Aufgaben stellen. Dann erst müssen wir beweisen, was wir vermögen.« Sein Lächeln wurde breiter, und er senkte seine Stimme. »Ich bin sicher, wir sind stärker, als wir jetzt glauben. Aber zur neuen Dreiergruppe fehlt uns noch immer ein mutiger, kräftiger Jude.«
    »Haben wir Geduld«, schloss Uthman. »Dein Gott wird uns zur rechten Zeit einen schicken.«

 
    Auf der »Ring des Dogen« im Mittelmeer
     
    Zwölf Tage, nachdem Elazar, von Aigues-Mortes kommend, Marseille erreicht und dort dank glücklicher Fügung den betrunkenen Kapitän in der Schänke getroffen hatte, hatte er zum dritten Mal seine grauenvolle Übelkeit bezwungen und konnte sich daran erinnern, wie sehr ihm Gott geholfen und wie viel Glück er gehabt hatte.
    Ein langer Marsch durch flaches, fast menschenleeres Schwemmland voller Mücken und Fliegen, Libellen und Schmetterlinge begann in Aigues-Mortes. Elazar hatte haltbaren Proviant gekauft und fand immer wieder sauberes Wasser. Die Sonne brannte auf das sumpfige Land herunter, über das in endloser Folge schneeweiße Wolken zogen. Große Mückenschwärme tanzten über den Tümpeln. Jeder Schritt scheuchte einen Fliegenschwarm hoch. Zum ersten Mal in seinem Leben konnte Elazar sehen, so weit das Auge reichte, wohin er seinen Kopf auch drehte; kein Hügel, kein Berg versperrten die Sicht bis zum Horizont. Nur wenige Bäume gaben Schatten, in dem er sich ausruhen konnte.
    Einer der vielen Wasserläufe hatte sich zu einem großen, flachen See geweitet. Elazars Augen gingen über, als er zum ersten Mal die riesigen Schwärme der rosaroten Vögel sah, die über dem flachen Land kreisten. Später auf seiner Wanderung sah er die großen Vögel durch niedriges Wasser waten, die langen Hälse gekrümmt und den Kopf seltsam nach hinten gewinkelt. Ihre Nester waren aus Lehm und Schlick gebaute Hügel, aus denen kleine Küken hervorlugten. Wie zum Abschied erhoben sich Tausende der langbeinigen Vögel in die Luft und schienen seinen Weg begleiten zu wollen. Staunend beobachtete Elazar den Schwarm, der seine Farbe bei jeder Richtungsänderung wechselte. Ungestört wanderte er durch unberührtes Land, über schmale Tierpfade und entlang sumpfiger Niederungen.
    Marseille lag im Osten, hatte man ihm gesagt, gen Sonnenaufgang, und so ging er unbeschwert, aber trotzdem wachsam in die Richtung der aufgehenden Sonne.
    Die Menschen, die er traf, Fischer, Jäger und Bauern, waren freundlich und hilfsbereit. Oft wusch er seinen Schweiß und die schmutzstarrenden Stiefel im Wasser eines träge dahinfließenden Wasserlaufs, in

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