Der Kaiser des Abendlandes
Mischung aus Weihrauch und Kräutern schwelte, die Nadschib für seinen Herrn im Souk gekauft und zusammengestellt hatte, stieg ein fingerdünner Faden in die Höhe und zerteilte sich unter der dunklen Decke.
Erinnerungen seltsamer Art suchten Suleiman heim.
Er dachte an die Falkenjagden mit seinem Vater, an die Ritte vor ihm im Sattel eines Rennkamels und an die leere Weite der Wüste. Zwölf, fünfzehn Jahre war es her, damals hatte Abu Lahab seine Schwerter noch selbst geschmiedet und verkauft. Am Rand der Wüste, bei einem Getreidebauern, hatte er sich ein Jagdhäuschen errichten lassen; der uralte Großvater des Bauern hatte sich damals um die Falken gekümmert und sie abgerichtet. Nur der Teil des Hauses, in dem Suleiman nun einzuschlafen versuchte, war damals bereits fertiggestellt. Die Bäume im Garten waren noch jung gewesen, man hatte sie mit Stangen stützen und sorgfältig mit dem Wasser aus der Küche begießen müssen.
Auch die vielen Ringe an den Fingern des Vaters hatte es noch nicht gegeben. Vieles hatte sich verändert. Damals hatte Suleiman seinen Vater noch uneingeschränkt geliebt, die dunkle Seite seines Wesens, der Dämon des Erfolgs und der Golddinare hatte sich ihm noch nicht offenbart. Vielleicht hatte es ihn damals auch noch nicht gegeben, überlegte Suleiman, vielleicht war er erst hervorgetreten, als die Mutter starb, oder irgendein anderes erschütterndes Ereignis hatte das rastlose Hasten nach Geld und Macht in seinem Vater später ausgelöst. Denn rastlos musste man ihn nennen, diesen unendlichen Fleiß, mit dem sein Vater die Schmiede aufgebaut und nächtelang in seinen Ruinen außerhalb der Stadt gehämmert und geschmolzen hatte. Die Tage, an denen er seinem Sohn am Rand der Wüstensteppe geheimnisvollschaurige Geschichten von Dschinns und Dämonen erzählte, waren unterdessen immer seltener geworden.
Layla, eine junge Dienerin im Hause Abu Lahabs, hatte so gut sie es vermochte Suleiman die Mutter zu ersetzen versucht. Auch sie hatte die Veränderung im Wesen ihres Herrn wahrgenommen, die mit dem Weiterbau des Harems, der Gartenmauer, des Taubenturms und der Terrasse einherging. So langsam, wie die Bäume wuchsen, war aus der Dienerin Layla eines Nachts eine Verführerin und schließlich die geheime Geliebte des jungen Suleiman geworden. Niemand hatte es gemerkt. Suleiman hatte sich ganz allmählich seinem Vater entfremdet, gleichwohl war Abu Lahab in seiner zunehmend mürrischen Art stets stolz auf seinen Sohn gewesen. Abdullah hatte den Jungen im Reiten und im Gebrauch aller Waffen ausgebildet, in der Koranschule war er aufmerksam wie kein Zweiter gewesen, er hatte jedes Buch und jede Schriftrolle gelesen, die er in die Finger bekam, hatte sich mit fremden Schriftzeichen auseinandergesetzt und, wenn er nicht weiterwusste, gelehrte Christen und Juden befragt, die seine Wissbegierde gerne stillten.
In den Nächten, in denen Layla nicht zu ihm kam und er keine Lust hatte, im Koran, der Bibel oder der Thora zu lesen, war er durch die Stadt spaziert und hatte sie mit der gleichen Begeisterung studiert wie die Schriften. Tausend Gassen, tausend Verstecke, tausend kleine Abenteuer! Eines Abends hatte er ein kleines Mädchen beobachtet, das in einem Garten spielte, und in den folgenden Jahren war er immer wieder an diese Stelle zurückgekehrt und hatte mit angesehen, wie Mariam Dentrevez zu einer Schönheit heranwuchs, die sich nicht verschleierte und mit zahlreichen Tüchern verhüllte, wie die anderen Frauen es taten, die Suleiman kannte.
Eines Tages hatte er Mariam abgepasst und angesprochen; er wusste, wann sie das Haus verließ und wohin sie ging. Der Blick ihrer grünen Augen hatte ihn getroffen und nicht wieder losgelassen. Seit diesem Tag hatte er Layla nicht mehr ungezwungen gegenübertreten können, und so hatte sich die junge Dienerin schließlich verwundert und enttäuscht von ihm zurückgezogen.
Es blieb die eigenartige Beziehung zu seinem Vater. Abu Lahab wusste, was er an seinem Sohn hatte, und Suleiman schätzte den Reichtum seines Vaters, dessen ungebrochenen Fleiß und das Ansehen, das er in der Stadt genoss. Die von Hass und Gewalt dominierten Träume hingegen irritierten ihn. Sie würden seinen Vater eines Tages in tiefes Elend stürzen, an dem er, als sein Nachkomme, großen Anteil haben würde.
Dies war eine durchaus unangenehme Vorstellung, dennoch schlief Suleiman genau darüber ein.
Weder sein Vater noch Abdullah waren im Haus, als Suleiman sich
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