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Der Kaiser von China

Der Kaiser von China

Titel: Der Kaiser von China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Rammstedt
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dass ich es zuvor bemerkt hatte. Franziska zog ihren Daumen dennoch nicht weg, das Stechen nahm zu, wurde zu einem Pulsieren, zu einem Brennen und schließlich zu einem wohltuend flächigen Schmerz. Franziskas Blick blieb auf mein Kinn gerichtet, selbst als sie mit der anderen Hand meine Hose öffnete, wandte sie ihn nicht von dort ab, mit ein paar schnellen Griffen hatte sie den Gürtel geöffnet, die Knöpfe, und es war mir unangenehm, wie deutlich willkommen mir ihre Hand war, so deutlich, dass Franziska es bei einem kurzen Nachprüfen beließ, dann aufstand, ohne den Regenmantel auszuziehen, ihre Unterhose auszog, sich über mich hockte und, immer noch weder Blick noch Daumen von meinem Kinn entfernend, sich langsam auf mir niederließ. Ihre Erregung wies weniger merkliche Spuren auf als meine, ein paar peinigende Sekunden lang drückte fast ihr ganzes Gewicht auf einen einzigen Punkt, bis sie mir endlich, Zentimeter für Zentimeter, näher kam, ich sah noch, wie sie sich vor Schmerz auf die Lippen biss, und auch ich krallte meine Hände fest in die Überdecke, um nicht aufzuschreien. Wir mussten uns kaum bewegen, jedes winzige Zusammenziehen, jeder Blutstoß war sofort zu spüren, ihre linke Hand wich noch immer nicht von meinem aufgeschlagenen Kinn, mit der rechten stützte sie sich erst auf meinem Knie ab, umklammerte dann, als wir uns doch zu bewegen anfingen, meinen Hals, sodass mein Kopf zwischen ihrer linken Hand und rechten Armbeuge eingeklemmt war und ich über ihre Schulter direkte Sicht auf meinen Großvater hatte, obwohl ich die ganz und gar nicht haben wollte. Ich zwang mich, die Augen zu schließen, doch es gelang einfach nicht, ich sah seinen fleckigen Arm, ich sah seine eingefallene Brust, den stumpfen Winkel seines Kieferknochens, Franziska bewegte sich schneller, ihre rechte Hand krallte sich in meine Schulter, ich sah die eine seiner auswuchernden Augenbrauen, ich sah das seichte Flackern seines Nasenflügels, ich sah, wie er die Augen aufschlug, Franziska drückte mich immer tiefer in sich, mein Kinn pochte unter ihrem Daumen, ich sah, wie mein Großvater ein paar Mal blinzelte, wie er an sich herunterschaute, wie er sich dann umwandte, unsere Blicke trafen sich ungeschützt, noch immer konnte ich meinen Kopf nicht bewegen, noch immer konnte ich meine Augen nicht schließen, Franziskas Hand grub sich in mein Haar, der Blick meines Großvaters saugte sich fest, dann kam ich.
    Dabei muss ich die Augen doch kurz zugemacht haben, denn als ich sie öffnete, waren die meines Großvaters zweifellos geschlossen, sein Kopf lag noch immer auf der Seite, auch die Ziffern auf dem EKG waren unverändert, das prüfte ich sofort.

Luoyang , den 20. Mai
    Meine Lieben,
    sehr früh sind wir heute aufgestanden, um vor unserer Weiterreise nach Luoyang noch ein wenig von Xi ' an zu sehen. Ich frage mich, ob es ein Fehler war, die Reiseroute so dicht gedrängt zu planen, dass wir alle Stationen nur kurz besuchen können. Wie schon in Peking, blieb natürlich auch in Xi ' an das schale Gefühl, längst nicht alles gesehen zu haben, aber da man ja ohnehin nie alles sehen kann, war es mir sinnvoller erschienen, möglichst viel Verschiedenes zu besuchen, und Großvater scheint sich auch nicht dar an zu stören, er ist nach wie vor schnell gelangweilt, und meist bin ich es, der ihn bittet, doch etwas langsamer zu gehen.
    Der Tempel der Acht Unsterblichen interessierte ihn anfangs sehr, dann war er aber doch merklich enttäuscht, dass keiner von ihnen persönlich anwesend war. Länger hielten wir uns im Geschichtsmuseum auf. Es ist immer wieder überraschend, welche Dinge in China viel früher bekannt waren als bei uns, eines der Wandgemälde zeigte äußerst detailliert ein Polospiel, in einer Art Broschüre aus der Tang-Zeit finden sich auf feinem Seidenpapier Abbildungen einer, allerdings noch recht rudimentären, Schönheitsoperation, und eine der kleinen Tonfiguren aus der Sui-Dynastie trägt zweifelsohne einen Pullunder.
    Leider reichte die Zeit nicht mehr, um zum Tempelkloster Famen Si rauszufahren , wo die vier Fingerknochen Buddhas aufbewahrt werden, die zweitbedeutendste Reliquie, gleich nach seinem rechten großen Zeh im Kloster Puning .
    Stattdessen besichtigten wir noch die beiden wichtigsten Wahrzeichen der Stadt, die Wildganspagode und die Graureiherstatue, beide aus dem 7. Jahrhundert, als sich im Taoismus für kurze Zeit eine ornithologische Ausrichtung durchgesetzt hatte.
    Zum Mittagessen gab es kalte

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