Der Kalligraph Des Bischofs.
Waffen tragen.«
»Und das Konzil in Mainz vor fünf Jahren?«
»Lest die Beschlüsse von 813 genau, mein lieber Biterolf! Da ist die Rede von
presbyteri
und
diaconi
, aber darüber, daß Bischöfe keine Waffen tragen dürfen, ist nichts gesagt.«
»Das meint doch auch die Bischöfe. Wollt Ihr sagen, daß nur den Priestern das Waffentragen –«
»Die Sache ist zweischneidig, und das war sie schon immer. Der große Kaiser, Karl, hat zwar die Verbote nicht zurückgenommen,
aber er hat seine Geistlichkeit gleichzeitig dazu gezwungen, mit ihm in den Krieg zu ziehen. Nicht die einfachen Priester,
natürlich, sondern die Bischöfe und Äbte, weil sie ihre Vasallen haben. Auch Ludwig braucht mich hier nicht nur als geistlichen
Führer, sondern genausogut als Heerführer. Ich Torfkopf habe mich bloß von einem starken Grafen dazu verleiten lassen, den
Mund zu halten, obwohl meine Erfahrung das Unglück heute hätte verhindern können.« Der Bischof richtete das Gesicht zum Nachthimmel
auf. »Vergib mir, Vater!«
»Aber findet Ihr nicht, daß sich der Kriegsdienst und der Dienst für Gott schlecht miteinander vereinen lassen?«
Claudius wandte sich zurück zu Biterolf. »Meint Ihr, Ludwig hätte mich ohne Hintergedanken in die verwilderte Diözese Turin
geschickt? Da täuscht Ihr Euch. Ihr denkt, anderswo sind die Bischöfe zahm wie eine Schoßkatze? Wie, denkt Ihr, ist Bischof
Hildegar von Köln bei der Iburg erschlagen worden? In der Schlacht gegen die Sachsen! Genauso Gerold von Mainz. Ist Euch entfallen,
daß Erzbischof Angilram von Metz, der Leiter der kaiserlichen Hofkapelle,
anno Domini
791 auf dem Feldzug gegen die heidnischen Awaren starb?«
»Und Gott? Was ist mit seinem Gebot, nicht zu töten? Solltet nicht gerade Ihr als sein Vertreter auf Erden ein Vorbild für
das verdorbene Menschengeschlecht sein?«
|283| »Gottes Sohn sagte selbst, wie Matthäus berichtet:
Red- dite Caesari, quae Caesaris sunt
– gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist. Legt Euch schlafen, wackerer Notar. Morgen werden wir den Sarazenen Gleiches mit Gleichem
vergelten.«
Als sich Biterolf schon in die Decken gerollt hatte, hörte er den Bischof noch leise sagen: »Und Dank Euch, daß Ihr den Mut
habt, mich auf einen Fehler hinzuweisen. Ihr mögt im Unrecht sein, aber ohne Männer wie Euch wäre ich der Hölle nah.«
O Vater,
betete Biterolf lautlos, bevor er einschlief,
warum schlägst du einen Mann wie diesen mit Blindheit?
Es waren nur feine, dünne Tropfen, aber sie stachen nadelscharf in den Nacken und ins Gesicht. Wie ein böser Traum lag das
Feld im Regen da, blutgetränkte, dunkle Erde. Dampfwolken schwebten einen halben Schritt über dem Boden, und die Stimmen der
Krieger waren dumpf, als hätten sie einen Lumpenpfropfen im Hals. Claudius wartete geduldig, bis sich die Gesunden in Haufen
aufgestellt hatten. »Die Verletzten bleiben in den Zelten und beten, wenn sie das noch können«, befahl er.
»Wollt Ihr nicht auch beten und bei ihnen bleiben?« fragte Riculf.
Claudius tat, als hätte er es nicht gehört. »Wir sind bitter geschlagen worden gestern. Einen zweiten solchen Tag darf es
nicht geben, sonst ist alles verloren. Es ist deutlich geworden, daß die Sarazenen ihre Pferde beherrschen, wie wir Gerüsteten
unsere nie beherrschen werden. Deshalb können wir sie in einem Aufprall von vorn nicht besiegen. Sie weichen uns aus, und
wenn sie unsere Reihe im Rücken angreifen, sind wir wehrlos. Deshalb werden wir heute in zwei Gruppen angreifen, und diese
Gruppen werden die Form eines Keils haben.«
Riculf stieß einen verächtlichen Laut aus. »So ein Unsinn! Unsere Kraft aufteilen?«
|284| Unerwartet schnell wendete Claudius die Araberstute und preschte auf den Grafen zu. Er kam hart vor ihm zu stehen und donnerte,
jede Silbe betonend:
»Sic volo, sic iubeo.«
So will ich es, und so befehle ich! So lange drangen die Blicke der beiden Männer ineinander, bis Riculf die Augenlider senkte.
»Ihr, Riculf, werdet an der Spitze der einen Gruppe reiten, ich führe die andere an. In der vorderen Reihe im Keil stehen
schwer gerüstete Berittene, innen schlechter gerüstete.« Claudius führte die weiße Stute zu den Fußkämpfern. »Zwanzig von
euch hier herüber.« Er wartete, bis sich zwanzig Männer gefunden hatten.
»Ihr werdet bei den Bogenschützen bleiben, um sie bei einem Ausfall der Sarazenen zu bewahren. Die Sarazenen haben kurze Bögen,
weil sie sie auf dem Pferd mit
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