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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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sich führen. Unsere Bögen tragen weiter. Deshalb werden wir heute«, er drehte den Kopf zu den
     Reitern, »erst beim zweiten Ruf angreifen. Der erste Ruf bedeutet, daß die Bogenschützen ihre Bögen in den Himmel heben und
     den Pfeil lösen. Es sind zwar ungezielte Schüsse, aber sie werden bis zu den Sarazenen reichen und einige von ihnen treffen.
     Nehmt Aufstellung!«
    Wie befohlen, bildeten die Reiter zwei keilförmige Gruppen, deren Spitzen in Richtung der Sarazenen zeigten. Die Bogenschützen
     nahmen Stellung auf der einen Seite des Hügels, die Fußkrieger, bis auf die zwanzig, auf der anderen Seite.
    »Wenn ihr die Lanze verloren habt«, rief Claudius, »dann zieht das Schwert und verwickelt sie in ein Handgemenge, so schnell
     es geht. Gott mit uns!« Die weiße Stute lief voran, und Reiter, Schützen und Fußkrieger folgten ihr den Hang hinauf bis zur
     Kuppe.
    Auf der anderen Seite hatten sich die Sarazenen versammelt. Nicht in starrer Aufstellung; wie ein Bienenvolk um den Bau schwirrt,
     so ritten sie kreuz und quer, waren ständig in Bewegung. Beim Anblick der Feinde hoben sie ihre |285| Kurzschwerter und Spieße in den grauen Regenhimmel hinauf und johlten.
    Dieses Mal sah Biterolf dem Angriff nicht zu. Als er das
»Allahu Akbar!«
hörte, das Peitschen von zurückschnellenden Bogensehnen und das Sirren der Pfeile, sank der Notar auf die Knie. Bald zitterte der Boden unter den Hufschlägen der aufeinanderzupreschenden Reiter. Biterolf hob die Arme zum Himmel hinauf und betete.
Vater, vergib uns, daß wir diese Heiden töten. Verfluche nicht unsere Waffen, weil Claudius unter den Kriegern ist. Gib uns
     den Sieg, damit die Heiden sehen, wer der wahre Gott ist, und nicht weiter Steine anbeten. Zeige ihnen deine Macht. Du bist
     dem Götzen Allah überlegen. O Allmächtiger, wir sind böse Kinder, aber du liebst uns dennoch. Laß uns deine Hilfe zukommen.
    Laute Schreie und das Klirren und Scheppern von Klingen zwangen Biterolf, die Augen zu öffnen. Er konnte das weiße Pferd des
     Bischofs nicht mehr sehen. Die Fußkrieger waren nach vorn gestürmt und in Kämpfe mit teils berittenen, teils zu Fuß kämpfenden
     Sarazenen verwickelt. Wo war Claudius? Und wo Riculf? Auch den rot-blauen Waffenrock konnte Biterolf nicht sehen.
    Es dauerte lange, bis er den Bischof und den Grafen erblickte. Ihre Pferde lagen am Boden. Claudius und Riculf aber standen,
     umringt von Sarazenen, die Stiefel in den matschigen Boden gestemmt, und fochten Rücken an Rücken.

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    |286| 20. Kapitel
    Als Germunt erwachte, hatte er das Gefühl, aus einem langen und bis in die Kleinigkeiten lebhaften Traum zurückzukehren. Er
     war gerade erst vom Bischof niedergeritten worden, und eine unendlich sanfte Hand streichelte seine Stirn. Sie schrieb wunderschöne
     Buchstaben auf sein Gesicht, fuhr mit einer Fingerspitze seinen Haaransatz entlang, flog mit dem Rücken über seine Wangen,
     erfühlte zart seine Nase. Was war das für eine Schrift? Die Schäfte waren lang, die Körper der Buchstaben von liebevoller
     Bauchigkeit. Germunt sehnte sich mit aller Macht danach, daß sie seinen Mund streicheln würde, damit er sie küssen könne,
     aber die Hand wahrte sorgfältig jene Grenze zu den Lippen.
    Der Name zur Hand war »Stilla«, daran erinnerte er sich. Wo war die Stimme des Arztes? Und warum rügte er seine Helferin nicht
     für ihre ungeziemlich sprechende Hand? Gut, daß er nicht hier war.
    »Stilla, Ihr stürzt Euch ins Unglück.«
    Das war der Arzt. Er war hier, und er sah, wie die Hand mit Germunts Gesicht sprach.
    »Ich weiß.« Stilla lächelte, das war deutlich zu hören.
    »Woher wollt Ihr wissen, daß sie niemand auf dem Weg hierher beobachtet hat?«
    »Ich kann es nicht wissen. Sagt, wird er sich von seinen Verletzungen erholen?«
    »Ach, Stilla, Ihr fragt nach den falschen Dingen.« Odo schwieg, aber auch Stilla sagte nichts. Sie schien eine Antwort zu
     erwarten. »So, wie ich ihn vor einem Jahr kennengelernt habe«, gab Odo nach, »wird er sich schneller erholen, als man hinterherschauen
     kann.«
    |287| »Das ist gut.«
    Vor einem Jahr.
Es war kein Traum gewesen. Er war wirklich in einem brennenden Haus an der Decke entlanggekrochen. Auf einem der Balken hatte
     er sich versteckt gehabt, als die Büttel einen Fensterladen einschlugen, um in die Höhle zu spähen. Und sie hatten den Nachbarn
     befohlen, ihre Wände und Dächer mit Wasser zu befeuchten, hatten das Haus angezündet, mochte der Räuber

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