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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Zügen mischten.
    »Allmächtiger Gott«, begann Claudius, und sofort senkten sich alle Köpfe zum Gebet. »Ich erschrecke deine Kinder, und ich
     bitte dich um Vergebung dafür. Laß sie in den kommenden Tagen spüren, daß deine unsichtbaren Hände kräftiger sind als jede
     Reliquie. Gib uns den Sieg über die Heidenbrut, die unser Land anfällt. Gib uns den Sieg über unsere Angst, über unsere Zweifel.
     Wir danken dir, dem Bewahrer der Zeit, dem König aller Könige. Amen.«
    Biterolf öffnete die Augen, da hatten sich Reiter und Fußvolk schon in Bewegung gesetzt.
     
    Riculf war am Leben. Er wartete inmitten schwelender, schwarzer Ruinen; um sich herum im mindesten so viele Reiter und Fußkämpfer,
     wie Claudius mitbrachte, dazu Packpferde mit Wasserschläuchen und Proviant, Zelten und Stangen.
    Der Graf trug einen prächtigen Waffenrock, der, viergeteilt, rote und blaue Flächen zeigte. Goldene Stickereien prangten darauf.
     Das Gesicht des Grafen füllte ein großer, rund gestutzter Bart. An den Augen blieb Biterolf länger hängen. Er kannte graue
     Augen bisher nur als kühl, zurückhaltend oder stechend, aber diese waren groß und glühten.
    »Seid Ihr Bischof Claudius?«
    »Ja.«
    »Ich hatte nicht erwartet, Euch persönlich hier anzutreffen, Ehrwürden.«
    »Hoffen wir, daß das die letzte Überraschung dieser Tage war. Ihr konntet das Dorf nicht retten?«
    |278| »Nein. Wir kamen an, als die Flammen das meiste verzehrt hatten.«
    »Was ist mit den Bauern?«
    »Wenn noch welche leben, sind sie wohl in den Wald dort geflohen.«
    Weder Riculf noch Claudius sahen zum Wald. Sie musterten sich.
    Zwischen den verkohlten Häusern entdeckte Biterolf den Rand eines Brunnens. Der Qualm hatte sich ihm schwer auf die Zunge
     gelegt, und Biterolfs Kehle war so trocken, daß es weh tat, wenn er schluckte.
Für mich selbst will ich nicht bitten,
dachte er,
aber ich könnte die Pferde erwähnen. Die sollten Claudius wichtig sein.
Der Notar hustete. »Verzeiht, dort hinten ist ein Brunnen. Sollten wir die Pferde tränken?«
    »Sosehr sie Wasser brauchen – dieser Brunnen wird nicht mehr zu benutzen sein. Seht Ihr die Bäume, Biterolf?«
    Zuerst konnte der Notar in der gewiesenen Richtung keinen Baum finden. Dann erkannte er umgeschlagene Stämme. Die Baumkronen
     waren teilweise verbrannt.
    »Das sind Obstbäume. Die Sarazenen haben sie gefällt. Es würde mich wundern, wenn nicht auch einige tote Tiere im Brunnen
     liegen. Wer Felder verbrennt und Bäume fällt, der vergiftet auch den Brunnen.«
    »Zeit, daß ihnen jemand entgegentritt. Spalten wir ihnen die Schädel!« Riculf wendete den Falben, auf dem er ritt, und es
     folgten ihm grimmigen Gesichts nicht nur seine Männer, sondern auch die des Bischofs.
    Das wird Claudius ganz und gar nicht gefallen.
Biterolf drückte seinem Pferd die Fersen in die Seiten und schob sich an den Bischof heran. »Herr, ist es –«
    »Wenn wir untereinander streiten, können wir den Feind nicht besiegen.«
    »Aber Ihr seid der Herr, und er ist Euch zur Heeresfolge verpflichtet!«
    »Das weiß er, und das weiß ich. Ich nehme an, es gefällt ihm nicht, unter dem Befehl eines Geistlichen zu stehen. |279| Lassen wir das Thema, Biterolf. Ich werde Riculf dulden, solange ich kann.«
     
    Biterolf beobachtete die Augen des Bischofs an den folgenden Tagen. Er sah sie auflodern, als Riculf den Befehl dazu gab,
     Späher auszusenden. Er sah sie schmal werden, als Riculf die Senke hinter einigen Hügeln als Lagerplatz wählte und erklärte,
     auf dem davor liegenden Feld werde man den Sarazenen entgegentreten. Aber jedesmal preßten sich die Lippen des Bischofs aufeinander,
     und er schwieg. Manchmal ritt Claudius allein davon, und wenn er wiederkehrte, sprach er gedämpft und friedlich.
    Dann kam der Tag, an dem die Späher die herannahenden Sarazenen meldeten. Riculf ließ im Morgengrauen die Reiter Aufstellung
     nehmen, dahinter die Haufen zu Fuß. Er ritt auf seinem Falben vor den Kriegern auf und ab. »Wir erzwingen einen gesammelten
     Zusammenstoß. Danach ziehen wir uns zurück. Laßt euch nur im Notfall auf einzelne Kämpfe ein.« Er befahl einigen Reitern,
     ihre Pferde näher zu lenken. »Nur in geordneter Schlachtreihe und gedrängter Aufstellung haben wir die nötige Stoßkraft. Zwischen
     den Pferden darf kein Handschuh zu Boden fallen! Wir werden sie zerschmettern.«
    Claudius saß auf seiner weißen Stute, die ruhig in der Reihe stand. Er trug den blutroten Umhang, im Gürtel

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