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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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»Was seid ihr für faule Männer«, krächzte sie, »klatscht
     in die Hände, wenn ich tanzen soll!«
    Die Büttel grinsten und fingen an, im Takt in die Hände zu klatschen, woraufhin die Alte wankte und sich im Kreis drehte wie
     ein alter Tanzbär. Ihr Oberkörper blieb dabei vornübergebeugt, daß sich der Buckel in den Himmel streckte, aber die Füße bewegten
     sich mit erstaunlicher Leichtigkeit. Immer schneller klatschten die Wachen, und immer eifriger tanzte die Alte. Ab und an
     wagte sie einen Hüpfer, der jedesmal mit großem Gelächter quittiert wurde.
    »Diese Demütigung«, seufzte Biterolf. Es tat ihm weh, die alte Frau so zu sehen. Es schien ihr langsam schwindlig zu werden,
     denn sie begann, unregelmäßig zu laufen, und kam dicht an den Rand des Kreises heran. Da stieß sie plötzlich vor und brach
     zwischen den Bewaffneten hindurch.
    Ein Raunen ging durch die Menge, die sich angesammelt hatte, um dem Spektakel zuzuschauen. Immer weiter |300| kämpfte sich die Alte von den Bütteln fort. Aber der Menschenwald war zu dicht, sie kam nicht schnell genug hindurch. Zwei
     Büttel, die ihr gefolgt waren, schleppten sie zurück in den Kreis und warfen sie zu Boden.
    »So, du wolltest also unsere Runde verlassen?«
    Einer der Bewaffneten schrie auf, und beide zogen sie sich in die Reihe ihrer Gefährten zurück. Dann floß Stille wie eine
     dicke Suppe zwischen die Menschen.
    Hatte sich das Mütterchen etwas gebrochen? Warum sagte niemand etwas? Biterolf reckte den Hals, aber er konnte keinen Blick
     in den Kreis erhaschen.
    Eine Stimme aus der Menge rief entsetzt: »Das Weib ist ein Mann!«
    Das vermeintliche Mütterchen erhob sich. Biterolf fühlte ein kaltes Stechen auf seinem Gesicht. Er konnte spüren, wie seine
     Hände zitterten, und aus seinen Beinen wich jede Kraft, als sei er vom Fieber geschüttelt. Das Mütterchen war Germunt.
    Sein Schüler warf sich die Lumpen von den Schultern. Er blickte in die Menge, wie ein gehetzter Hirsch der Meute von Hunden
     entgegensieht.
    »Sieh einer an, wen haben wir denn da?«
    In Germunts Rücken lösten sich zwei Büttel aus dem Kreis und pirschten sich an ihn heran.
    »Germunt!« Biterolfs Schrei hallte zwischen den Häuserwänden hin und her.
    Germunt wirbelte herum, duckte sich unter einen Fausthieb und griff einem der Büttel an den Gürtel. Eine Klinge blitzte. Hastig
     zogen sich die beiden Wachen zurück, und nun zückten alle in der Runde ihre Schwerter.
    »Ich werde Euch meinen Tod etwas kosten lassen«, knurrte der Bedrängte. Er hieb das erbeutete Schwert durch die Luft.
    »Der Kerl ist tatsächlich gefährlich.« Es lag kein Spott in der Stimme des Büttels, beinahe war es Anerkennung. »Jetzt verstehe
     ich, warum Godeoch uns gewarnt hat.«
    |301| »Wir sollten den Grafen holen.« Zwei Bewaffnete verschwanden in der Menge.
    »Was hast du getan, Kleiner?«
    »Ich habe mich gegen Folter und Demütigung gewehrt.« Wieder ging ein Raunen durch die Menschenmenge.
    »Warum verfolgt dich unser Herr?«
    »Das hat mit mir nichts zu tun. Es ist eine Sache zwischen ihm und dem Bischof.«
    Ein kleingewachsener Büttel riß die Arme hoch. »Glaubt ihm nicht! Er will uns auf seine Seite ziehen, das ist alles ein böses
     Spiel!« Verunsichert blickten die Wachen zwischen ihrem Gefährten und Germunt hin und her.
    Schließlich sagte ein bärtiger, stämmiger Mann, dessen Schwert viele Scharten hatte: »Hör zu, Junge, es ist gar keine Frage,
     daß wir tun, was unser Herr befiehlt. Aber du sollst wissen, daß ich dich nicht verachte oder hasse. Tu du deinen Teil, wir
     tun unsern, und der Herrgott möge uns allen vergeben.«
    Biterolf arbeitete sich näher heran, so daß er hinter einem Büttel zu stehen kam. Wenn Germunt aus dem Kreis zu fliehen versuchte,
     wollte er ihm eine Lücke bieten, die sich vor seinen Verfolgern wieder schloß. Zwischen den Rücken zweier Bewaffneter konnte
     Biterolf hindurchschauen. Germunt kniete am Boden, so als wolle er beten. Die Wachen schienen das zu respektieren, denn sie
     standen still, fast andächtig. Als Germunt wieder aufstand, fielen die Lumpen herab, die seine Beine und Füße bedeckt hatten.
     Barfuß trat er aus seinen Hüllen.
    Ein Pferdewiehern ertönte. Durch eine Gasse, die sich rasch in der Menge bildete, ritten Suppo, Godeoch und der bleiche Jüngling
     heran. Godeoch überragte die beiden um einen halben Kopf, aber er wirkte schmal in seiner Lederkleidung, während sich neben
     ihm die Umhänge Suppos und

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