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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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seine Zunge an der Wurzel hart werden. Übelkeit stieg in ihm auf. Deshalb die
     vielen Büttel!
Godeoch will meinen Schüler abfangen.
Das würde den Befreiungsplan vereiteln.
    Inmitten der Menschenströme stand Biterolf und drehte sich langsam im Kreis. An nahezu jeder Straßenkreuzung waren Bewaffnete
     postiert. Mit zusammengekniffenen Augen musterte Biterolf ihre Gesichter. Das waren keine gelangweilten Wachposten. Die Männer
     waren aufmerksam, suchten wie Raubtiere nach ihrem Opfer.
    Der Notar lief eilig weiter. Erst unter dem Schutz des Bischofs war Germunt sicher. Wenn er vorher erwischt wurde … Biterolf
     mochte das nicht zu Ende denken. Germunt mußte sehen, daß die Stadt auf den Beinen war, und wenn er eine Ahnung von Claudius’
     Rückkehr hatte, würde er sich auf den Weg zum Bischofshof machen. Sich durch dieses Büttelheer hindurchzuschummeln war schier
     unmöglich. Und wenn es ihm doch gelang, erwarteten ihn seine ärgsten Feinde am Ziel.
    Biterolf mußte sich beeilen. Wenigstens vor dem Hoftor konnte er seinen Schüler warnen, falls Germunt es bis dorthin schaffte.
     Er griff blind in einen Haufen sich balgender Jungen hinein und zerrte einen von ihnen am Genick heraus. Der magere Kleine
     schlug um sich, aber Biterolfs Bauch war gegen Kinderhiebe unempfindlich. »Hör mir zu, du wirst belohnt!«
    Der Junge winselte, aber hielt still.
    »Ich möchte, daß du zu Odo läufst und ihm etwas sagst. Kennst du sein Haus?«
    »Meister Odo? Bei der Straße nach Pavia?«
    »Richtig. Wenn du ihm meine Botschaft überbringst, sollst du drei saftige Äpfel erhalten.«
    »Laßt mich los.«
    Biterolf löste seinen Griff.
    Der Kleine drehte sich um und musterte ihn. »Ich tu’s. Ihr seid doch vom Bischof, oder?«
    |298| »Ja. Dort bekommst du auch deine Belohnung.«
    »Was ist die Botschaft?«
    »Odo soll ohne Verzug zum Bischofshof kommen. Eile dich!«
    Der Kleine nickte und stob davon.
    Seit Jahrzehnten verspürte Biterolf das erste Mal Lust, zu verreisen. Er wollte in eine andere Gegend, eine andere Stadt.
     Biterolf belächelte sich selbst.
Meine ich, ein anderer Herr hätte keine Feinde? Irrsinn.
    »Laßt doch das arme Mütterchen«, hörte er hinter sich eine Stimme.
Das geht jetzt aber wirklich zu weit.
Es war selten, daß Biterolf Wut in sich spürte, aber wenn diese Büttel begannen, ihren Spott mit wehrlosen, alten Frauen zu
     treiben, dann würde es Sünde sein, ihrem Tun nichts entgegenzusetzen. Biterolf machte kehrt, sah einen Bewaffneten, der einer
     Alten und ihrem Begleiter breitbeinig den Weg versperrte. Der Notar rief so laut »He!«, daß er selbst erschrak.
    Die Wache drehte sich zu ihm um. »Was willst du?«
    »Vergreift Euch nicht an alten Weibern, das habt Ihr nicht nötig.«
Was rede ich hier?
Am liebsten hätte Biterolf seine Worte wieder zurückgenommen. Er sah die Wache die Augen aufreißen und dann wieder zusammenkneifen.
     Das Mütterchen humpelte mit ihrem Begleiter am Wachposten vorbei.
Wenigstens habe ich erreicht, was ich wollte,
dachte Biterolf, aber da schnellte die Faust des Bewaffneten vor und packte die Alte am Genick.
    Der Blick des Büttels hing immer noch an Biterolfs Gesicht. »Bist du nicht einer von den Bischofsleuten? Du willst mir sagen,
     was ich zu tun habe?«
    »Laßt sie los«, sagte der Begleiter der Alten.
    Da preßte der Büttel die Lippen zusammen und stieß einen gellenden Pfiff aus. Von überallher bahnten sich Büttel ihren Weg
     durch die Menschen.
    »He, Freunde, schaut mal, dieses alte Weib hier! Ob sie noch tanzen kann?«
    |299| Die hinzugekommenen Wachen lachten und bildeten einen Kreis um die Alte.
    O Gott, was soll ich jetzt tun?
Biterolf verfluchte seine vorschnellen Worte.
Ich wollte nur Gutes, Vater, vergib mir!
    Die Büttel begannen, die Alte zwischen sich hin und her zu stoßen. Verwundert sah Biterolf, wie sich der Begleiter des Mütterchens
     hastig entfernte. Der Mann war regelrecht von Entsetzen ergriffen; er stieß die Leute beiseite, sprang über eine Ziege und
     verschwand in einer Gasse.
    Inzwischen hatte einer der Büttel sein Kurzschwert gezückt und kitzelte die Alte damit im Rücken. »Tanze für uns!«
    Einen Moment stand sie still, dann krächzte sie: »Macht den Kreis weiter.«
    Die Bewaffneten grölten und gehorchten ihr.
    »Mehr! Es wird ein feuriger Tanz.«
    »Du gefällst mir, Mütterchen!« rief einer der Büttel, und sie entfernten sich noch weiter.
    Die Alte stellte sich in die Mitte, bereitete sich für den Tanz vor.

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