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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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seinen braungelben Augen aufgelodert, die Biterolf entfernt an jenen Tag erinnerte, als er seinen Schüler im Obergeschoß
     zwischen zwei Fenstern erwischt hatte. Nur war aus dem seltsamen Glühen am Boden der Augen ein Steppenbrand geworden. »Bastard,
     sagt Ihr?«
    Die Drohung kam mit so tiefer Stimme, daß der Graf von Germunt abließ und einen Schritt zurückwich.
    »Bastard?«
    Germunts Brustkorb hob und senkte sich. Dann schnellte er vor. Es schien, als wolle er auf die linke Seite des Grafen gelangen,
     und tatsächlich, sein Schwert jagte auf das linke Bein des Grafen zu. Als dieser sich auf die Seite neigte, um es abzuwehren,
     zog Germunt knapp vor Godeochs Körper nach rechts herüber, ohne die Richtung seines Schwertes zu verändern. Der Schwertgriff
     löste sich aus Germunts Hand, es flog, frei. Germunt streifte an der Rechten des Grafen vorbei, beschrieb eine Kurve, lief
     hinter Godeoch entlang.
    Der Graf drehte sich nach Germunt um, aber eine unsichtbare Kraft hielt seine Füße zusammen, schnürte ihn am Boden fest. Der
     Feind hob das verlorene Schwert wieder auf, und jetzt sah man, daß sich eine Schlinge um Godeochs Beine geschlossen hatte,
     daß ein Seil den Schwertknauf mit |305| Germunts Handgelenk verband. Germunt brüllte auf und hob mit aller Macht seinen Arm. Wenige Lidschläge später schlug der Leib
     des Grafen auf dem Boden auf.
    Ein kurzes Aufblinken der Klinge, und das Seil war gelöst.
    Geistesgegenwärtig rammte Biterolf seinen Ellenbogen in den Rücken des Büttels vor ihm. Die benachbarte Wache packte er im
     Genick und donnerte den so geführten Kopf wie eine Keule gegen den Kopf eines weiteren Bewaffneten. »Hierher, Germunt!« Die
     Stimme des Notars überschlug sich. »Hierher!« Er schlug um sich, schob, trat, ließ seinen umfangreichen Körper gegen Menschen
     prallen. Und es erschreckte ihn nicht wenig: Genugtuung, beinahe Freude erfüllte ihn. »Hierher!«
    Als Germunt an ihm vorbeigehumpelt war, breitete Biterolf die Arme aus und folgte ihm langsam, immer Menschen zwischen sich
     und die Büttel schaufelnd. Es war ein Toben und Stoßen, ein Schieben und Fallen, und in jener wilden Brandung gluckste und
     strahlte Biterolf, wie er sich selten erlebt hatte.

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    |306| 22. Kapitel
    Ademar zog sich den Ring vom Finger, hielt ihn dicht vor den geöffneten Mund und hauchte ihn an. Er beobachtete, wie der milchige
     Überzug langsam verschwand, wie aus einem weißen Ring wieder ein goldener wurde. Sorgfältig rieb Ademar mit dem Ärmel darüber.
     Eine wunderschöne Schlange war es, die über ihren Schwanz hinauskroch und so den Ring formte. Spitze Zähne zeigte das offene
     Maul, und die Augen bestanden aus dunkelgrünem Stein. Noch heute früh hatte der Ring die Hand des Grafen geziert. Langsam,
     genüßlich schob ihn sich Ademar auf den Zeigefinger der linken Hand.
    Das Scheppern der Schmiedestücke unter den Hammerschlägen um ihn herum donnerte ihm wieder ins Bewußtsein. Deutlich konnte
     er den väterlichen Hammer heraushören: ein feines Klicken nur, zart und verletzlich inmitten der groben Klänge der Huf- und
     Waffenschmied. Immer hatte Ademar sich schuldig gefühlt, wenn er über die Schwelle seines Elternhauses trat. Heute aber schien
     ihn der Ring mit seiner Magie zu schützen. Der kleine Vorraum war leer, und so lief Ademar bis zum Amboß hinter. Er sah seinem
     Vater über die Schulter, blickte auf das winzige, rötlich glühende Goldstück, das er mit feinem Hammer bearbeitete.
    Erst nach einer geraumen Zeit murmelte der Vater zwischen den Hammerschlägen eine Begrüßung: »Soso, mein Fleisch und Blut
     beehrt uns.«
    »Ich habe großartige Neuigkeiten, Vater.«
    »Deine Mutter ist auf der Straße, dem Bischof Blumen entgegenzuwerfen.« Verachtung lag in der Stimme des Goldschmieds. »Als
     ob dir das weiterhelfen würde.«
    |307| »Ich bin jetzt persönlicher Berater des Grafen«, platzte Ademar heraus. Der Knecht am Blasebalg riß die Augen auf.
    Ademars Vater aber hämmerte ungerührt weiter. »Lieber wäre es mir gewesen, wenn du ein Händchen für das Handwerk deines Vaters
     gehabt hättest.«
    »Er schickt mich nach Rom, Vater. Nach Rom!«
    »Soso. Schau dir dort mal die Schmiedewerkstätten an, versprichst du mir das? Die Römer stellen sehr kunstfertig Goldschmuck
     her. Vielleicht kannst du bei ihnen etwas Nützliches lernen.«
    »Vater …« Begriff er überhaupt etwas? Ademar sah die Geste des Grafen wieder vor sich, mit der er ihn

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