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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Bärtigen sein Fränkisch nicht
     verstehen konnten, versuchte er sich in gebrochenem Latein.
»Homicida est. Moriturus est!«
    Germunt drehte sich nach den Bärtigen um. Sie stellten sich schützend neben den Bischof.
    »Kniet nieder«, befahl Claudius und sah Germunt eindringlich an.
    Will er mich eigenhändig köpfen?
Germunt fühlte ein Knistern in seinem Nacken. Er gehorchte.
    »Öffnet Eure Hand!«
    |310| Germunt sah zögerlich hinauf. Er streckte dem Bischof seine Hand entgegen, und der Bischof legte ein Geldstück hinein. Was
     geschah hier?
    Der Bischof holte tief Luft. Er sprach Fränkisch. »Germunt, Euer Vater, dessen Eigentum Ihr als Sohn einer Unfreien seid,
     ist nicht hier. So seien denn die Brüder Eurer Stiefmutter Zeugen, daß ich, Claudius, Bischof von Turin, Euch heute die Freiheit
     schenke.« Mit einer kräftigen Handbewegung schlug er Germunt die Münze aus der Hand, daß sie in hohem Bogen in den Staub flog.
     »Erhebt Euch, Freier.«
    Germunt blieb zunächst auf seinen Knien, lauschte den gesprochenen Worten hinterher, versuchte, sie zu verstehen.
Ich bin frei?
Er stand mühsam auf, die Augen fest auf das Gesicht des Bischofs geheftet.
Ich bin frei?
Selten hatte Germunt so tief aus der Seele gesprochen: »Ich danke Euch.« Er wollte mehr sagen, ihm Treue schwören, ihm sein
     Leben zu Füßen legen, aber in jenem Moment schnitt die harte Stimme Hengists durch die Luft.
    »Bischof, Ihr handelt unrecht!«
    »Habe ich das Zeremoniell des Schatzwurfes verletzt?«
    Einer der Brüder spie auf den Boden. »Ihr könnt niemanden frei machen, der Euch nicht gehört!«
    Die leise Antwort kam von Odo. »Sein Eigentümer möchte ihn töten, also ist er seiner überdrüssig und möchte ihn nicht mehr
     besitzen.«
    Mit erhobenen Augenbrauen drehte sich Claudius nach dem Meister um, dann lächelte er.
    Hengist sprach ebenfalls leise, drohend. »Es mag sein, Ihr seid sein neuer Besitzer. Dann tötet ihn für seinen Mord an der
     Herrin von Brunn. Wir wollen Zeuge der Vollstreckung sein, um unseren Blutracheschwur zu erfüllen.«
    Claudius schüttelte den Kopf. »Dort im Ledersack auf dem Boden liegen zehn Pfund Silber in Schillingen. Das ist das Wergeld,
     das ich für seinen Mord bezahlen muß. Nehmt es und geht.«
    |311| Nun war Hengists Stimme nur mehr ein Fauchen. »Ent weder tötet Ihr ihn, oder Ihr sterbt mit ihm.«
    Germunt sah erschrocken auf, doch das Gesicht des Bischofs blieb ruhig.
    »Ihr möchtet doch nicht, daß ich das meinen langobardischen Freunden übersetze, oder? Nehmt Euer Geld und verschwindet!«
    Es war still. Während Hengists Brüder Germunt finster anstarrten, rangen Hengist und Claudius mit ihren Blicken. Dann murmelte
     Hengist: »Das werdet Ihr bereuen.« Er löste sich aus der Gruppe und lief zum Tor, gefolgt von seinen Brüdern. Einer der Franken
     bückte sich und nahm den Sack auf.
    Der Bischof nickte. »Na also.«
    »Eine Menge Silber. Ich bin mir sicher, daß sie es für ihren Rachezug verwenden.« Odo sah den Franken nach. »Vielleicht bezahlen
     sie einen Meuchler, oder sie bestechen jemanden, der Euch vor dem Kaiser verleumdet.«
    »Der Kaiser kennt mich seit meiner Jugendzeit. Er weiß, was er von mir zu halten hat.«
    Germunt mußte sich anstrengen, nicht das Atmen zu vergessen.
Ich … Er …
Er berührte den Bischof am Arm. »Herr, mein Leben gehört Euch. Was ich bin, bin ich durch Euch – prüft meine Treue und befehlt
     mir.«
    Die graublauen Augen blickten ihn ruhig an. Germunt sah sie von Falten umspannt, einer dunklen, fast lederartigen Haut. Obwohl
     Claudius ernst auf ihn schaute, machte es ihm keine Angst, sondern er fühlte sich tief angenommen. »Ich danke Euch«, sagte
     der Bischof. »Ich werde darauf noch zurückkommen.«
    »Es gibt da einen Brief von Theodemir, über den ich gern mit Euch sprechen würde.«
    »Später, Germunt.«
     
    Eine eigene Welt war sie, die Schreibstube, in der nicht Schwerthiebe regierten, sondern Buchstaben und Pergamente. |312| Und was konnten sie nicht alles erreichen! Germunt sah von seinem Schreibpult aus die Regale hinauf, in denen mächtige Rollen
     thronten wie Adler in ihren Gebirgsnestern. Ein Schriftstück genügte, und ganze Familien mit ihren Äckern wechselten den Besitzer.
     Urkunden konnten über Kriege entscheiden, konnten jährliche Abgaben bestimmen oder mächtige Herren an ihre Versprechen erinnern.
     Und hier wurden sie geschrieben.
    Mein Leben hat sich so sehr verändert. Ich war ein mörderisches

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