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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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dieser Wunde flossen Blut und Wasser, die Sakramente, mit denen die Kirche …«
    Man konnte ihn nicht mehr hören. Laute Rufe, Schieben, Drängeln und wütendes Pfeifen erfüllten die Kirche. Die Tür öffnete
     sich, und ein Strom von Leuten verließ den Gottesdienst.
    Da kam vom Altar die Stimme des Bischofs mit solcher Kraft, daß sie alles übertönte. Er hob die Arme und rief: »Ihr meint,
     das ist dumm? Ich bin gezwungen, mit dummen Sachen gegen Dummköpfe vorzugehen, steinharte Schläge gegen steinerne Herzen zu
     führen.«
    So muß er auf dem Schlachtfeld seine Befehle geben,
dachte Germunt. Er zog Stilla an den Rand des Raumes und wartete, bis die Unruhe sich gelegt hatte. Nur wenige waren geblieben,
     eine Handvoll. Biterolf war nicht unter ihnen.
    Claudius ließ die Arme herabsinken. Er sprach leise. »Pfeile der Worte und Meinungen nützen nicht mehr viel. Es wirke der
     Geist des Herrn.«
     
    Als Biterolf am Hoftor Ato, Thomas und einige andere sah, die spottend die Menge dirigierten, wäre er am liebsten in die Kirche
     zurückgekehrt.
    »Auf, Leute, nur die Straße hinunter – in der Johanneskirche hört ihr eine anständige Predigt.«
    »Haben wir’s nicht gleich gesagt?«
    »Und nehmt genug Weihwasser, an euch klebt der Staub der Gotteslästerung!«
    Was mache ich?
fragte sich Biterolf.
In eine andere Kirche gehe ich nicht, wenn diese Idioten das möchten.
Er machte unter dem Torbogen kehrt und befreite Farro aus der Schreibstube. Dann passierte er die Schadenfrohen erneut.
    »Biterolf? Du bist nicht im Gottesdienst?«
    »Ach, wißt ihr«, entgegnete er ihnen, »wenigstens muß ich nicht am Tor herumstehen wie ihr. Was habt ihr bloß |340| verbrochen, daß der Kanzler euch diese blöde Aufgabe zugedacht hat?«
    Zuerst sah man Biterolf mit großen Augen an, dann brachen die Spötter in ein unsicheres Lachen aus.
    Sie wissen nichts zu erwidern.
Biterolf eilte, sich zu entfernen, um ihnen die Gelegenheit zu nehmen, doch noch zu antworten.
    Und ich? Weiß ich denn, mit dieser Lage umzugehen?
Farro stieß seine Hand mit der nassen Schnauze an. »Lauf nur vor, Kleiner, lauf. Ich muß ein wenig nachdenken.« Der Hütehund
     trottete entlang der Häuserfront voran.
    Claudius versucht, das zu tun, was er für richtig hält. Aber er sollte nicht seine seltsamen Auffassungen zum Mittelpunkt
     der Verkündigung machen! Und hat er das Recht, die Schätze der Kirche zu zerstören? Hat er das Recht, seine Herde zu zwingen,
     daß sie seinen Ansichten folgt?
    Ein magerer, gescheckter Hund tänzelte um Farro herum. Die beiden berochen sich. Dann trottete Farro gleichgültig weiter,
     während ihm der andere folgte. Er stieß Farro während des Laufens immer wieder mit der Schnauze in die Seite, bis Farro stehenblieb
     und ihn anknurrte. Der Gescheckte setzte sich auf die Hinterläufe und winselte. Farro lief weiter.
    Wenn ich Bischof wäre und seine Ansichten hätte, würde ich vielleicht einige Figuren entfernen, über Jahre, so daß es kaum
     auffällt. Aber niemals alles vernichten, was meinen Anbefohlenen heilig ist.
    Ob Claudius nicht wußte, daß er nun ganz leicht zum Ketzer erklärt werden konnte? Nicht nur sein Amt stand auf dem Spiel,
     auch sein Leben! Vielleicht weiß er es … Ein seltsames Kitzeln lief Biterolfs Arme hinauf.
Er weiß es, und trotzdem folgt er dem, was er für richtig hält. Es kostet ihn alles. Alles. Hängt er nicht an seiner Stellung?
     Seine Weisheit hat ihn überall bekannt gemacht – er muß doch wissen, daß er gerade sein Leben zerstört!
    Sie durchschritten das Stadttor und folgten einem |341| Ackerweg, der auf die Weinberge zu führte. Farro holte weit aus mit den schwarzen Läufen, jagte über das Feld, auf dem zarte
     Halme sich zur Sonne streckten. Plötzlich blieb er stehen, die Schnauze im Erdboden, als sei er damit steckengeblieben. Der
     schwarze Hütehund begann, mit den Pfoten zu graben, bellte in das Loch hinein und grub weiter.
    Einmal hat er mich gelobt, daß ich dem Wortlaut der Bibel zu folgen versuche, obwohl er anderer Ansicht war. Seine klugen
     Schriften … Mußte er heute so spöttisch predigen? Niemand würde Windeln anbeten oder Boote verehren. Das Kreuz erinnert doch
     an die wichtigste Handlung des Gottessohnes, an das bedeutsamste Ereignis der Geschichte der Welt. Wie kann er das abschaffen
     wollen?
    Ein warmer Sommerwind drang befreiend in Biterolfs Brust, brachte die Halme dazu, ihre Spitzen zu neigen. Farro sah sich nach
     seinem Herrn

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