Der Kalligraph Des Bischofs.
wert. Wenn wir das
hopsnehmen, können wir leben wie der Graf und müssen nicht mehr Tag für Tag unseren Hals riskieren.«
»An der Anlegestelle wimmelt es nur so von Menschen«, warf Rothari ein.
»Und eben darum wird niemand es merken, wenn wir uns ein Faß stehlen.« Germunt grinste. »Wir setzen einfach ein Allerweltsgesicht
auf, gehen zügig hin, greifen uns ein Faß und hauen ab.«
Niemand erwiderte etwas.
Wenn wir das Salz verkaufen, kriege ich Geld, und davon kann ich mir einen Flecken Erde kaufen. Vielleicht sogar einen Weinberg.
Germunt sah auf das Gras zu seinen Füßen, unter |64| dem das Flußwasser schmatzte. Konnte er den Halunken trauen?
Ich habe nichts zu verlieren.
Der Hagere räusperte sich. »Was fangen wir denn mit dem ganzen Salz an? In unseren Lumpen können wir uns nicht auf den Markt
stellen und das Salz Scheffel für Scheffel unter die Leute verkaufen. Auf Geldmünzen ist kein Besitzer erkennbar, aber so
ein Faß wird leicht zugeordnet. Jeder wird fragen: Wo haben die bloß dieses Faß her? Es genügt, wenn ein einziger zu den Marktwachen
läuft.«
»Das habe ich mir auch überlegt. Auf den Markt können wir uns nicht stellen.« Germunt fuhr sich mit der Hand über den Nacken.
»Aber was haltet ihr davon, wenn wir mit dem gestohlenen Faß zu den Fischern gehen? Die brauchen große Mengen an Salz, um
die Fische haltbar zu machen. Wir klopfen einfach an die Tür, sagen, hier ist das Salz, und wenn sie uns fragend ansehen,
sagen wir einen unschlagbar guten Preis. Da werden sie sich hüten, darauf hinzuweisen, daß wir wohl zu den Falschen gegangen
sind, und uns mit einem gemeinen Lächeln so viel abkaufen, wie sie sich gerade noch leisten können.«
Rothari pfiff anerkennend. »Nicht schlecht, nicht schlecht.«
»Wir starten gleich morgen einen Versuch«, sagte Bertlind.
Man einigte sich, gemeinsam an Ort und Stelle zu übernachten, damit keiner die Sache verraten könne. Grobe, freundschaftliche
Schläge auf die Schultern veranlaßten Germunt dazu, seine Wolfsfelle und die Decke zu teilen. Wie selbstverständlich plazierte
sich der Hagere neben ihn. Als Germunt dachte, daß längst alle schliefen, hörte er ihn plötzlich leise sagen: »Hoffentlich
ist es morgen neblig am Fluß. Nebel und ein leichter Nieselregen.«
»Hast du Angst?«
»Nein.«
Das ist eine Lüge.
Germunt preßte die Lippen aufeinander |65| und sah in den schwarz-blauen Sternenhimmel hinauf. Er selbst fühlte irgendwo oberhalb des Bauchs ein unangenehmes Ziehen.
»Was machst du mit deinem Anteil?«
Er versucht wohl, sich abzulenken.
»Mir einen Weinberg kaufen.«
»Mit Weinstöcken und allem Drum und Dran?«
»Ja. Mit Weinstöcken und Kelter und trockenem, lockerem Boden.«
»Aber du weißt doch gar nicht, wie man die Trauben aufzieht, oder?«
»Und wie ich das weiß. Am besten ist es, wenn der Hang nach Süden oder Südwesten abfällt. Wenn du sie einpflanzt, die Weinstöcke,
mußt du die Erde wieder in der Reihenfolge einfüllen, wie sie vorher war. Den ganzen Sommer über kannst du pflanzen, bis zum
Juli, dann schaffen es die Weinstöcke, vor dem Winter Wurzeln zu schlagen. Aber beim Einpflanzen dürfen sich die Wurzeln nicht
nach oben biegen.«
»Wer hat dir das denn beigebracht?«
»Ein Weinbauer. Der hatte nie Rebläuse oder Mehltau an seinen Pflanzen, er war richtig begabt. Und Trauben habe ich da gegessen,
so was kannst du dir gar nicht vorstellen.«
»Doch, kann ich. Hab schon mal welche geklaut. Hast du da gearbeitet?«
»Der Weinberg gehört meinem Vater.«
Es wurde still.
Nach langer Zeit fragte Germunt: »Und du, was hast du mit deinem Anteil vor?«
Keine Antwort.
Morgen wird alles anders,
sagte er sich.
Ich fange ganz von vorn an.
Trotzdem wollte das Ziehen nicht aus seinem Bauch weichen, vielleicht, weil sich die ganze Sache so gut anhörte, zu gut.
Am Morgen waren Bertlind und Rothari erstaunlich gut gelaunt, nur Simon schwieg zu jedem Scherz. Germunt |66| nahm sich vor, die drei Gauner nach dem Salzdiebstahl zu verlassen.
Nur einmal muß es gutgehen, nur ein einziges Mal.
»Hört zu«, erklärte die Einäugige auf dem Weg zur Anlegestelle, »wir machen es so: Simon wird das Faß in einem günstigen Augenblick
stehlen, dann gibt er es Germunt weiter. Der bringt es zu Rothari oder zu mir, je nachdem, wer im entsprechenden Augenblick
günstig zu erreichen ist.«
Germunt nickte. Er hatte das Gefühl, sich dringend erleichtern zu müssen.
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