Der Kalligraph Des Bischofs.
etwas und
schmeicheln.
Es machte ihn unsicher, dieses Kind, und deshalb ärgerte er sich. »Ich habe gesagt, du sollst verschwinden! Willst du dir
eine Backpfeife fangen?« Er holte aus.
Endlich duckte es sich und verschwand zwischen den Beinen der Umstehenden. Germunt reckte sich, um Simon zu sehen.
Da lief er, im Schlenderschritt, auf den Segler und die Fässer zu.
Nicht von dort, Simon, der Händler kann dich sehen!
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Geh nicht so nah heran, du mußt erst die Träger beobachten. Simon, du hast doch Zeit, warum läufst du schon auf die Fässer
zu? Vorsicht, dort kommt einer der Träger! Ja, so ist es gut. Schau dir die Stoffe an.
Der Hagere fuhr mit den Fingern über einen roten Ballen. Die Hand zitterte ihm, das war nicht zu übersehen. Dann plötzlich
lief er mit schnellen Schritten auf die Fässer zu. Die Träger waren beide im Boot, der kleine Händler schüttelte dem Käufer
die Hand. Simon nahm das Faß im Laufen auf, wie ein Pferd im Vorbeigehen frisches Grün von den Bäumen rupft. Er hob es sich
auf die Schulter und ging an den beiden Kaufleuten vorbei.
Germunt wollte gerade aufatmen, da rief die Fistelstimme plötzlich: »Das ist doch eins von meinen Fässern!
Haltet diesen Mann!
« Der schrille Ton übertraf alle Hafengeräusche. Köpfe wandten sich um. Bewegungen erstarrten.
Simon begann zu laufen.
Als Germunt Rothari sah, gefror ihm der Blick. Er beeilte sich sichtlich, das Stadttor zu erreichen. Und dort war auch Bertlind,
genauso auf der Flucht. Was ging hier vor?
Simon versuchte, den vielen Händen auszuweichen, die sich nach ihm ausstreckten.
Ich muß zu ihm hin,
schoß es Germunt durch den Kopf.
Ich muß ihm helfen.
Er sah zwei Wachen, die Simon den Weg abschnitten. Germunts Füße schienen am Boden angeschmiedet zu sein.
Wenn ich jetzt hinlaufe, bringen sie mich um.
Eine schale, ruhige Stimme sprach in seinen Gedanken.
Rothari und Bertlind sind sowieso nicht mehr da. Ich kann das Faß niemandem bringen. Es ist nicht meine Schuld, daß der Plan
geplatzt ist.
Jetzt ließ Simon das Faß fallen und drehte sich um. Sein Blick schweifte suchend über die Menge, Verzweiflung verzerrte sein
Gesicht. »Germunt!« Der Hagere zog das Messer und schnitt mit ihm durch die Luft, um sich Platz in der Menge zu verschaffen.
Als Germunt eine der Wachen mit dem Speer ausholen |70| sah, lösten sich endlich seine Füße. Er stieß Leute beseite, schlug und biß, kämpfte sich durch die Menschen. Ein würgender
Schrei zerriß die Luft.
Endlich stand Germunt zwischen anderen Gaffenden vor dem Hageren. Er lag zusammengekrümmt in einer Blutlache, die Augen geschlossen.
Leises Röcheln verriet, daß er lebte. Die Büttel stritten.
»Wer bringt ihn weg?«
»Du hast zugestochen, du mußt ihn auch verscharren.«
»Und wenn wir ihn einfach liegenlassen?«
»Bist du verrückt?«
»Oder wir fragen den Salzhändler, was mit ihm passieren soll. Der hat schließlich nach uns gerufen. Nein, warte mal.« Der
Büttel, der den blutigen Speer hielt, zeigte mit der freien Hand auf einen der Friesen, die neben Germunt standen. »Du da,
schaff ihn fort!« Er fingerte an seinem Gürtel und schnippte dem Friesen eine kleine Münze zu. »Vergrabe ihn irgendwo vor
der Stadt.«
»Wieso … Aber …«, stammelte der Friese.
»Ich mach das schon.« Germunt bückte sich nach der Münze, dann hob er sich den blutenden Körper auf die Schulter. Das helle
Rot lief ihm über Brust und Rücken, und seine Knie beugten sich schwer unter der Last. Die Menschen wichen zurück.
Endlich war da die Brücke. Germunt legte den Hageren auf das Ufergras. Es war kein Röcheln mehr zu hören. Germunt hielt das
Ohr vor Simons Mund und lauschte. Flach atmete der Verletzte, leise.
»Sie sind einfach weggelaufen. Deine Gefährten. Ich werde sie finden. Sie sollen hierherkommen und dich anschauen.« Germunt
schüttelte Simon an der Schulter. »Si mon . Simon! Du hast es gut gemacht. Es war nicht deine Schuld. Der Moment war sehr gut gewählt, es wäre alles gelungen. Du warst
sehr mutig. Hörst du mich? Hörst du mich, Simon?«
|71| Die Lippen des Hageren bewegten sich. Hastig kam Germunt ihm näher. Zuerst verstand er nichts, dann hörte er es deutlich:
»Laß mich nicht allein.«
Laß mich nicht allein. O mein Gott …
Germunt spürte, wie sich stoßartig Tränen in seinen Augen sammelten. Seine Kehle schien anzuschwellen, und aus dem Inneren
stieg dumpfer Schmerz auf.
Ich hätte ihm helfen
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