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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Er ballte die Fäuste, spürte seine Kehle enger werden.
Du miese Kröte, ich hätte nicht wenig Lust, dich zu zertreten!
    »Rede doch lieber mit dem Bischof! Du kannst mit ihm reden, das weiß ich. Kaum ist der neue Herr da, hat sich unser Notar
     schon an ihn herangeworfen und küßt ihm die Füße. Er hört auf dich, richtig? Du hältst ihn fest in deinen Krallen.«
    »Das ist nicht wahr!« Biterolf stürmte auf Ademar zu. In Gedanken sah er sich auf ihn einschlagen. Er blieb aber schnaufend
     vor ihm stehen.
›Haltet die andere Wange hin‹, hat der Herr gesagt. ›Haltet die andere Wange hin‹, hat der Herr gesagt.
»Was hast du mit Farro getan, du tückischer Wolf?«
    »Nichts. Ich tue einfach nur meine Arbeit. Möchtest du nicht nachschauen, ob ich irgendwo ein Stäubchen vergessen habe, um
     es dem Bischof zu melden?«
    »Rede, du Hurensohn!« Der Notar packte Ademar im Genick.
    Unterhalb der schwarzen, rundum gerade geschnittenen Haare rötete sich die Stirn des Mannes. »Nichts. Ich habe nichts getan.«
    Biterolf sah den eigenen ausgestreckten Arm, die Faust im Genick Ademars, und ganz langsam wurde sein Atem ruhiger. »Hör zu,
     Ademar. Mir ist egal, ob du blöde Handzeichen gemacht oder einen Braten unter dem Mantel getragen hast. Auf jeden Fall lasse
     ich so etwas nicht mit mir |75| machen, klar? Irgendwann ist Schluß!« Er ließ los.
Ich hätte ihn nicht anfassen sollen,
dachte er, gleich aber ärgerte er sich über diesen Gedanken.
     
    Vieler Nachforschungen bedurfte es nicht.
    »Die Braune fehlt, die Süße. Sie hat nie viel gelegt, aber ich hatte sie gern.« Swabo kratzte sich den Nacken.
    »Bist du sicher? Wir haben doch viele braune Hühner, oder?«
    »Ob ich sicher bin? Ich werde doch meine Kleine wiedererkennen. Es gibt auch viele schwarze Hunde, und du würdest doch immer
     deinen Farro herauswissen.«
    »Kann es ein Marder gewesen sein?«
    »Wenn ein Marder in den Stall einbricht, kreischen sie. Das heißt nicht, daß ich rechtzeitig komme, um ihn zu vertreiben,
     aber ich wüßte, was geschehen ist.«
    »Und ein Raubvogel?«
    »Das ist möglich.«
    Den Raubvogel kenne ich mit Namen,
ging es Biterolf durch den Kopf.
     
    Am selben Tag verließ Claudius Turin, um die zum Bischofssprengel gehörenden Ländereien zu bereisen und einigen Langobardenhöfen
     einen Besuch abzustatten. Er würde für einige Tage fortbleiben, hieß es, und wolle nur Kanzler Eike mit sich nehmen. Daß er
     nicht einmal seinem Schreiber befahl, ihn zu begleiten, war kein gutes Zeichen.
    Ich werde hier nicht untätig herumsitzen, bis er wiederkommt,
sagte sich Biterolf.
So mache ich ihn nur noch ärgerlicher.
Also ließ er nach dem Aufbruch des Bischofs zwei Knechte die Kiste mit den Aufzeichnungen aus dessen Schlafgemach in die Schreibstube
     tragen, verbrachte einen Tag damit, die Pergamente und Täfelchen zu ordnen, und begann dann mit der Reinschrift.
    Während er schrieb, wuchs sein Erstaunen über Claudius. Zu jedem Vers wußte der Bischof eine gute Erklärung. |76| Seine Begründungen ruhten auf dem sicheren Fels der alten Väter und schlugen gleichzeitig unerwartete, frische Wege ein. Biterolf
     konnte sich gut vorstellen, wie die Augen der Schüler glänzten, wenn sie etwas von ihm zu lesen bekamen.
    Zwischen den Texten für den Bibelkommentar fand der Notar aber auch merkwürdige Niederschriften. In ein Wachstäfelchen hatte
     Claudius eingeritzt: »Gegen die Reliquien. Die Knochen der Heiligen sind nicht verehrungswürdiger als die Gebeine von Tieren.«
     Überall wurden Reliquien in höchsten Ehren gehalten – das konnte nicht die Meinung der Kirche sein! Und auf einem Pergamentfetzen
     griff er ganz deutlich den Heiligen Vater in Rom an. Biterolf liefen Schauer über den Rücken, als er die Worte las: »Nicht
     der sollte Apostel heißen, der einfach auf dem apostolischen Stuhl sitzt, sondern der, der diese Aufgabe erfüllt. Der Herr
     hat über solche gesagt: ›Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer. Alles nun, was sie euch sagen,
     das tut und haltet; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht handeln; denn sie sagen’s zwar, tun’s aber nicht.‹ (Matthäus 23,2.3).«
     Wenn das Papst Paschalis in die Hände fiele … Biterolf unterbrach die Schreibarbeit, um den Fetzen tief zwischen anderen Schriften
     zu verbergen.
    Drei Tage lang saß der beleibte Schreiber von früh bis spät über den Pergamenten. Am vierten Tag kehrte der Bischof zurück.
     Biterolf kannte die

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