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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Hütehund das Fleisch. Germunt rief auf dem Hof nur einmal mit gedämpfter Stimme, und schon sprang ihm aus
     dem Schatten am Tor ein schwarzes Tier entgegen.
Hoffentlich springt er mich nicht an. Ich falle sofort um mit diesem wunden Bein.
Bevor Farro ihn erreicht hatte, warf Germunt das Fleisch durch die Luft. Der Hund sprang danach, schnappte sich den saftigen
     Streifen im Rachen zurecht, schlang ihn hinunter und zeigte sofort wieder seine Zunge, als bettelte er um mehr. Germunt strich
     ihm lächelnd die Hand über den Kopf. »Paß mir gut auf Biterolf auf. Sie machen es ihm nicht leicht hier.«
    Der Hund schloß kurz das Maul und winselte, dann zeigte er wieder seine Zunge.
    Die ersten Sterne stachen durch die Wolkendecke. Ein kühler Wind erinnerte Germunt an die Eisnächte im Gebirge. Da spürte
     er, wie ihm Hände etwas Schweres auf die Schultern legten.
    »Nehmt diesen Mantel, Germunt. Ich sitze sowieso die meiste Zeit im Talglichtschein meiner Schreibstube. Und hier ist ein
     Stock, der Kanzler hat ihn dem Pilger abgeschwatzt, der seit zwei Tagen bei uns ausruht.«
    Erschrocken drehte sich Germunt um. »Biterolf, könnt Ihr Gedanken lesen?«
    »Nun, man muß nicht Logik studiert haben, um zu wissen, daß Ihr im Schnee der Alpen etwas Wärmendes brauchen werdet.« Die
     Worte des Notars klangen gedämpft und ein wenig angerauht. »Ich werde Euch nicht durch die Stadt begleiten, damit man Euch
     nicht so leicht erkennt. Geht die kleinen Gassen, hört Ihr? Es wäre schlecht, wenn sie Euch sähen.«
    »Ich danke Euch, guter Lehrer.«
    Biterolf schluckte. »So habt Ihr mich noch nie genannt.«
    »Ihr seid es, Ihr seid es.« Die beiden Männer umarmten sich herzlich.
    »Warum wollte Claudius mit Euch allein sein in der Schreibstube?«
    |150| Germunt biß sich auf die Lippen. Was sollte er sagen? Biterolf konnte das stille Abkommen zwischen ihm und dem Bischof nicht
     verstehen. Vielleicht wußte der Notar nicht einmal etwas von Theodemir. Er wäre sicher gekränkt, wenn er erfahren würde, daß
     Claudius Germunts Feder in dem Fall der seines Notars vorgezogen hatte. Andererseits: Ging es nicht nur um eine Übung? Um
     den Ansporn, die Schreibkunst zu lernen? Warum sollte er daraus ein Geheimnis machen? Und doch, es war ein Geheimnis, auf
     irgendeine Art.
    »Ihr dürft nicht darüber reden? Dann sagt nichts. Es ist in Ordnung, wirklich. Aber verratet mir: Habt Ihr wirklich gestohlen?
     Warum?«
    Germunt schloß die Augen und schluckte schwer.
    »Ist es ein Dämon, der Euch zum Dieb macht?«
    »Nein … Es ist ein Engel.«
    »Ihr meint … eine Frau?«
    Germunts Lider hoben sich, und er blickte Biterolf unverwandt an.
    »Ihr meint doch nicht Stilla?«
    Während sich der Notar fassungslos auf einen Schemel fallen ließ, sprach sein Gegenüber mit leiser Stimme: »Vom ersten Tag
     an wollte ich ihr eine Freude machen. Der Tod ihrer Eltern und ihre Blindheit … Das hat mich so traurig gestimmt.«
    »Meine Tochter!«
    »Bitte, Ihr …« Germunt stockte. »Zürnt nicht. Ich werde sie in Ruhe lassen.«
    »Ihr liebt sie?«
    Germunt schwieg. Doch seine Wangen glühten.
    Energisch stand Biterolf auf und sagte fest: »Es ist gut, daß Ihr in die Ferne reist. Ihr werdet sie schnell vergessen.«
     
    Aus der Schenke, die alle nur »die Alte« nannten, floß gelbes Licht auf die Straße und eine dumpfe Flut von Stimmen. Germunt
     beeilte sich, in die Mariengasse abzubiegen. |151| Er lief auf den erhöhten Pflastersteinen, um in keinen Unrat zu treten, und hielt den Leinensack, der auf seinem Rücken schaukelte,
     fest mit der Faust umschlossen. Rechts von ihm schrie in einer Holzhütte ein Mann wütende Sätze. Eine Frau schrie zurück.
    Dann endlich kam am Ende der Via Carda die Stadtmauer in Sicht. Am Tor brannte eine Fackel.
    Der Wachposten trug einen schwarzen Bart und sprach mit einer Stimme, die unerschütterliche Ruhe ausstrahlte. »Da bist du.
     Hier, die kleine Tür ist offen.« Aus der Wachstube hörte man ein Schnarchen.
    Germunt biß die Schmerzen hinunter, die aus dem Bein heraufpochten, und passierte das Tor mit reglosem Gesicht. Was, wenn
     dieser Schmerz auch in Tagen nicht nachließ? Der Himmel mochte schwarz sein, noch schwärzer aber erhoben sich vor ihm die
     Berge, die er nun zum zweiten Mal würde überqueren müssen. Als Krüppel. Dazu kam, daß er in das Gebiet seiner Verfolger lief,
     auf genau dem Weg, den er gekommen war. Vielleicht hatten sie aufgegeben, aber darauf durfte er sich nicht

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