Der kalte Hauch der Angst
Arbeit. Dutzende und Aberdutzende Arbeitsstunden. Die Handwerker hatten das Badezimmer im Rohputz hinterlassen, aber es funktioniert, es gibt warmes Wasser. Auch die Küche ist noch nicht fertig. Die Handwerker haben die Möbel einfach abgestellt, wahrscheinlich müssen erst die Klempnerarbeiten erledigt werden, bevor die Küche eingebaut wird.
Ich habe Tee gekocht und nachgedacht. Dann bin ich durch die Räume geschlendert und habe den einen und anderen Krimskrams mitgenommen â Dinge, die man nie vermisst und dann erstaunt ist, wenn man sie zufällig irgendwo wiederfindet.
Nachdem mein Entschluss feststand, habe ich Farbeimer und Rollen geholt; ich habe sehr viel weniger Zeit gebraucht als Sophie, um das Haus von oben bis unten neu zustreichen, wenn auch in sehr viel »spontanerem« Stil. Aus den Küchenmöbeln habe ich Kleinholz für den Kamin gemacht. Die Farbspritzer habe ich mit Tischwäsche abgewischt und mit den Tüchern ein paar wilde Farbtupfer auf dem Mobiliar verteilt. Die Wasserrohre vom Bad bis zur Küche habe ich durchgeschnitten, dann habe ich den Wasserhahn aufgedreht und bin gegangen.
So schnell muss ich nun nicht wiederkommen.
26. März
Bereits beim Einzug hat Sophie die Bekanntschaft von Laure Dufresne gemacht, der Dorfschullehrerin. Sie sind etwa im selben Alter und haben sich angefreundet. Während der Schulstunden habe ich Laures Haus einen kleinen Besuch abgestattet. Ich will auf alles vorbereitet sein. Nichts Alarmierendes. Ein ruhiges, unbedeutendes Leben. Eine ruhige, unbedeutende junge Frau. Die beiden treffen sich ziemlich oft. Am späten Nachmittag geht Laure gern mal auf einen Kaffee bei Sophie vorbei. Sophie hat ihr geholfen, das Klassenzimmer neu einzurichten. Durchs Fernglas habe ich gesehen, dass sie Spaà miteinander hatten. Ich habe den Eindruck, diese Freundschaft wirkt sich positiv auf Sophie aus. Ich habe angefangen, Luftschlösser zu bauen. Die Frage ist, wie ich all das nutzen kann. Und ich glaube, ich habe die Lösung gefunden.
27. März
Sophie ist am Boden zerstört, Laure versucht sie vergeblich zu trösten. Nach dem Tod ihrer Katze wurde während ihrer Abwesenheit auch noch das Haus verwüstet; das hat ihr einen schweren Schlag versetzt. Ihrer Meinung nach handelt es sich um eine Gehässigkeit der Nachbarn. Laure hält das für unwahrscheinlich â Sophie wurde sehr freundlich aufgenommen, die Leute im Dorf sind sehr nett, versichert ihr Laure. Sophie hat massive Zweifel. Und die Vorfälle, die sich nacheinander ereignet haben, sprechen zu Sophies Gunsten.
Man muss Gutachter kommen lassen, Anzeige erstatten, wieder Handwerker finden, neue Möbel bestellen, all das ist nicht an einem Tag erledigt. Das dauert Wochen (vielleicht gar Monate, wer kann das schon wissen?). Und alles muss noch einmal gestrichen werden, bis einem die Arme abfallen â¦Â Zu alldem hat Vincent auf seiner neuen Stelle immer erst spät Feierabend und findet das alles normal; das sei am Anfang immer so (er hat ja gut reden â¦). Sophie hat das Gefühl, die Sache mit dem Haus hätte schlecht angefangen. Sie will nicht allzu negativ darüber denken (du hast recht, Sophie: bleib vernünftig). Vincent hat zu Sophies Beruhigung eine Alarmanlage anbringen lassen, aber trotzdem fühlt sie sich unsicher. Die Flitterwochen mit dem Oise haben nicht sehr lange gedauert.
Ihre Schwangerschaft? Schreitet voran. Vierzehnte Woche. Aber Sophie macht wirklich keinen guten Eindruck.
2. April
Das hatte gerade noch gefehlt! Im Haus gibt es Ratten. Am Anfang war gar nichts â und plötzlich ist alles voll. Und wenn man eine sieht, weià man, dass es zehn sind. Es beginnt mit einem Paar, das sich rasend schnell vermehrt! Ãberall wuseln sie umher, überall rennen sie herum und verschwinden in irgendwelchen Ecken, das macht wirklich Angst. Nachts hört man sie scharren. Man stellt Fallen auf, perverse Dinger, die sie anlocken und töten. Man fragt sich wirklich, wie viele es sind. Ich habe immer wieder Rattenpaare hingebracht, die wild in meinen Satteltaschen strampelten. Das war das Schwierigste.
4. April
Bei Laure findet Sophie am meisten Trost. Ich war ein zweites Mal bei der Lehrerin, um noch ein paar Details herauszufinden. Ich habe mich sogar gefragt, ob diese Frau nicht eine Lesbe ist, aber ich denke nicht. Doch das steht in den anonymen Briefen, die seit geraumer Zeit im Dorf und
Weitere Kostenlose Bücher