Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
–, der sich kerzengerade hielt, die Brust herausstreckte und den Bauch eingezogen hatte. Er hatte ein gutmütiges Gesicht, in dem jedoch geschrieben stand, dass er sich nicht zum Narren halten ließ. Kurzgeschnittenes Silberhaar. Eine Kette um den Hals, am linken Handgelenk ein Armband und eine fette Rolex am rechten.
»Wann ist er gestorben?«, fragte Wylie und gab ihrer Stimme einen vielfach erprobten mitfühlenden Klang.
»Ist schon fast zehn Jahre her.«
»Hatte er Gesundheitsprobleme?«
»Er war schon früher mal wegen seiner Herzprobleme im Krankenhaus gewesen. Die Spezialisten haben ihn gewarnt. Aber er konnte einfach nicht kürzer treten, verstehen Sie. Ständig hat er nur gearbeitet.«
Wylie nickte langsam. »Ja, manche Leute sind nun mal so.«
»Waren noch irgendwelche Partner an der Firma beteiligt, Mrs. Coghill?« Hood hockte inzwischen auf der Armlehne des Sofas.
»Nein.« Mrs. Coghill unterbrach sich. »Also, Dean hatte gehofft, dass Alexander…«
Hood inspizierte abermals die Fotos – Familienaufnahmen: ein Junge und ein Mädchen in sämtlichen Stadien der Kindheit und Jugend. »Ihr Sohn?«, fragte er.
»Aber Alexander hatte andere Vorstellungen. Er ist jetzt in Amerika verheiratet. Er arbeitet in einem großen Autohaus.«
»Mrs. Coghill«, sagte Wylie, »hat Ihr Mann einen gewissen Bryce Callan gekannt?«
»Sind Sie deshalb gekommen?«
»Dann sagt Ihnen der Name also etwas?«
»Na ja, ein großer Gangster, den kannte doch jeder.«
»Stimmt – er hatte einen gewissen Ruf.«
Meg Coghill stand auf und rückte einige Dekorationsstücke auf dem Kaminsims zurecht. Kleine Porzellantiere: Katzen, die mit einem Wollknäuel spielten, Cockerspaniels mit langen Schlabberohren.
»Möchten Sie uns vielleicht etwas sagen, Mrs. Coghill?« Hood sprach leise und sah Wylie an.
»Ist doch ohnehin zu spät.« Meg Coghills sprach mit bebender Stimme. Sie hatte ihren beiden Besuchern den Rücken zugekehrt. Wylie überlegte, ob die gute Frau vielleicht auf Beruhigungstabletten angewiesen war.
»Trotzdem – sagen Sie es uns bitte«, drängte sie sanft.
Die Witwe hantierte weiter mit den kleinen Figuren, während sie sprach.
»Bryce Callan war ein Verbrecher. Entweder man zahlte oder man bekam Schwierigkeiten. Werkzeuge verschwanden, oder die Reifen der Fahrzeuge wurden zerstochen. Es konnte auch passieren, dass eine ganze Baustelle verwüstet wurde. Aber das waren natürlich nicht irgendwelche Vandalen, das waren Bryce Callans Leute.«
»Dann hat Ihr Mann also Schutzgeld gezahlt?«
Die alte Dame drehte sich wieder um. »Da haben Sie meinen Dean aber schlecht gekannt. Er war der Einzige, der sich Callan widersetzt hat. Und nach meinem Empfinden ist er deshalb so früh gestorben. Ständig diese Belastung… Bryce Callan hat meinem Dean gewissermaßen das Herz in der Brust zerdrückt.«
»Hat Ihnen Ihr Mann das alles erzählt?«
»Um Himmels willen, nein. Er hat nie ein Wort gesagt und alles Geschäftliche von mir fern gehalten. Die Familie ist das eine, die Arbeit das andere, hat er immer gesagt. Deshalb hat er ja auch ein eigenes Büro gehabt, damit er keine Arbeit mit nach Hause bringen muss.«
»Er wollte seine Familie also von alledem fern halten«, sagte Wylie, »trotzdem hat er gehofft, dass Alexander in den Betrieb einsteigt?«
»Das war ganz am Anfang – lange vor Callan.«
»Mrs. Coghill, Sie haben doch bestimmt von der Leiche in dem Kamin in Queensberry House gehört?«
»Ja.«
»Unseres Wissens ist die Firma Ihres Mannes dort vor zwanzig Jahren tätig gewesen. Gibt es aus der Zeit noch irgendwelche Unterlagen, oder hat Ihr Mann damals Mitarbeiter gehabt, mit denen wir vielleicht sprechen könnten?«
»Glauben Sie, dass Callan dahinter steckt?«
»Im Augenblick müssen wir zunächst einmal die Leiche identifizieren«, sagte Hood.
»Können Sie sich noch daran erinnern, dass Ihr Mann dort gearbeitet hat, Mrs. Coghill?«, fragte Wylie. »Vielleicht hat er ja mal erzählt, dass dort jemand plötzlich verschwunden ist?«
Mrs. Coghill schüttelte langsam den Kopf. Wylie sah Hood an, der lächelte. Wär ja auch zu schön gewesen! Ohnehin war Wylie inzwischen davon überzeugt, dass bei der Aufklärung dieses mysteriösen Verbrechens auf glückliche Fügungen nicht zu hoffen war.
»In der letzten Zeit hat er sein Geschäft von hier aus geführt«, sagte Mrs. Coghill. »Vielleicht hilft Ihnen das ja weiter.«
Als Ellen Wylie um nähere Erläuterung dieses Satzes bat, erklärte Mrs.
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