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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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keinen solchen Spurt mehr hingelegt.« Sidorow beugte sich nach vorn und stützte die Hände auf die Knie. »So ein leichtfüßiger Halunke! Na warte, du entkommst uns trotzdem nicht. Ich krieg schon raus, wer hier nachts durch die Gegend schleicht. Der ist von hier, Nikita Michailowitsch, so viel ist sicher. Woher ich das wissen will? Der kennt den Weg zu gut, der Mistkerl! Am Ufer entlang wäre für ihn eigentlich am bequemsten gewesen, da ist alles offen, und man kann leichter ausbüxen. Aber da ist er nicht hin. Weil er nämlich genau weiß, dass es dort so schlammig ist, dass man nicht durchkommt. Man bleibt bis zu den Ohren im Dreck stecken. Bloß, wenn das wirklich irgendein Saufbold ist, was will er mit dem verfaulten Fleisch? Hunde, Raubtiere . . . das ist etwas anderes, die fressen auch Aas, aber ein Mensch?«
    »Hast du gesehen, wie er sich bewegt hat, Sascha? Sah das etwa nach einem Säufer aus? Wir, zwei junge, gesunde Männer, haben es nicht geschafft, ihn einzuholen.« Kolossow war es heiß geworden, und er zog die Weste aus. »Hast du ihn wenigstens richtig sehen können?«
    Der Inspektor schüttelte betrübt den Kopf.
    »Ich auch nicht«, tröstete ihn Kolossow. »Nur seine Augen hab ich gesehen. Tja, Leutnant, du warst ein bisschen voreilig mit deinem › Hände hoch ‹ .«
    »Ich dachte, das ist irgendein Alki, Nikita Michailowitsch. Aber es ist wahr, er hat sich bewegt wie ein Waldgott.« Sidorow schüttelte sich die Tannennadeln von der Jacke. »Zumindest haben wir uns nicht umsonst die Nacht um die Ohren geschlagen. Das heißt. . . eigentlich doch, weil er uns ja durch die Lappen gegangen ist. Aber so langsam kapiere ich, Nikita Michailowitsch, warum Sie heute Nacht mitgekommen sind.«
    »Was kapierst du, Sascha?«, erkundigte Kolossow sich müde.
    »Ich glaube, Sie haben hier nicht auf streunende Hunde gewartet. Ich glaube. Sie haben einen bestimmten Verdacht. Nur eins verstehe ich bis jetzt nicht: Wenn Sie sich eine bestimmte Theorie in Bezug auf unsere Morde hier zurechtgelegt haben – was hat dann dieses krepierte Schaf damit zu tun?«
    »Ich weiß es nicht, Sascha. Vorläufig weiß ich gar nichts. Und ich habe auch keine bestimmte Theorie. Zuerst hatte ich zu viele, aber jetzt. . .« Kolossow lehnte sich an einen Baumstamm. »Ich weiß nur, dass uns hier und heute ein sehr ungewöhnlicher Strolch erschienen ist und kein versoffener Viehdieb. Ich kann dir nicht sagen, wer es war, aber ein zweites Mal möchte ich ihn unter solchen Umständen nicht treffen. Und noch etwas, Sascha. . . Erzähl vorläufig keinem was von unserem Abenteuer, ja?«

18 Knastbrühe
    Die nächtlichen Ereignisse waren nicht spurlos an Kolossow vorübergegangen. Bei der morgendlichen Chefbesprechung in Rasdolsk, bei der sich sämtliche Abteilungsleiter versammelten, war er mürrisch und nachdenklich. Er hatte alle Mitarbeiter der »Abteilung zur Bekämpfung von Verbrechen gegen Leben und Gesundheit« zu sich ins Büro gebeten. Diese Abteilung der Rasdolsker Kriminalmiliz war seit dem Mord an Grant damit beschäftigt, das lokale Kontingent verdächtiger Personen zu überprüfen: alle Vorbestraften, die noch unter behördlicher Aufsicht standen, sowie psychisch Kranke, sozial Auffällige und so weiter. Es war die übliche operative Routinearbeit: das Durchsieben potenzieller Verdächtiger und die Überprüfung ihrer Lebensweise – unabhängig davon, welche Hypothesen man zum Fall entwickelte. Kolossow hatte mehrere Mitarbeiter aus dem Präsidium geholt, die die Rasdolsker Ermittler unterstützen sollten, und eindringlich geraten, noch einmal alle Personen aus den Spezialkarteien zu überprüfen. Dem Kontingent der Verdächtigen fügte er die Zigeuner hinzu; außerdem weitere, auf den ersten Blick anständige und gesetzestreue Bürger: sämtliche Datschenbewohner männlichen Geschlechts von achtzehn bis fünfundvierzig, die den Bezirk Rasdolsk im April und Mai aufgesucht hatten; außerdem alle Armeeangehörigen der in und um Rasdolsk stationierten Einheiten sowie alle Sportler und Trainer des Survival-Ausbildungscamps im ehemaligen Touristenheim in Otradnoje.
    Den Auftrag, sich Otradnoje näher anzusehen, gab er dem erfahrenen Koroljow und zwei von dessen Mitarbeitern. Seit einiger Zeit kam ihm immer öfter eine Bemerkung des Gerichtsmediziners in den Sinn, die dieser bei der Untersuchung von Grants Leiche eher beiläufig hatte fallen lassen. Der Experte hatte die Vermutung geäußert, der Mörder habe beim Überfall

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