Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
Vom Netzwerk:
den Kopf gelegt, eine junge Frau. Es war die Zigeunerin, die Katja gesagt hatte, sie müsse sich telefonisch bei Madame Leila anmelden. Sie schluchzte und versuchte immer wieder aufzustehen. Aber jedes Mal, wenn sie sich halb aufgerichtet hatte, warf Basarow sie mit einem Fußtritt zurück in den Staub.
    Es gibt Augenblicke, in denen man vor Wut und Abscheu blind wird. Die Stimme der Vernunft verstummt und im Innern erhebt sich etwas Schweres, Klebriges, Schwarzes und Schreckliches – eine Woge, die einen von Kopf bis Fuß überrollt. Basarow trat noch einmal nach der Zigeunerin. Weinend fiel sie mit dem Gesicht auf den Boden. Diesmal kam sie nicht wieder hoch; sie hatte keine Kraft mehr. Da rannte Katja los, vor Wut völlig außer sich, hob einen großen Schieferstein aus dem Gras und schleuderte ihn mit aller Kraft nach Basarow.
    Hätte sie ihn am Kopf getroffen – wer weiß? Vorm Bettelsack und vorm Gefängnis, heißt es, schützen keine Zaubersprüche. Doch Stepan reagierte blitzschnell, obwohl er mit dem Rücken zu Katja stand und sie nicht sehen konnte. Er warf sich zur Seite. Der Stein streifte nur seine Schulter. Im nächsten Moment drehte er sich um – und Katja wich entsetzt zurück. Sein Gesicht war schrecklich anzusehen, schweißnass und rußgeschwärzt. Doch er lächelte! Und schien nicht im Mindesten erstaunt, Katja mitten in diesem Hexenkessel zu sehen. Mit einem Sprung war er neben ihr, packte ihren Arm, warf den Kopf zurück und rief heiser lachend: »Ein tolles Schauspiel, was?« Die Worte kamen stoßweise hervor, als wäre er betrunken, doch er roch nicht nach Alkohol. »Bald wird keine einzige von diesen schmierigen Kreaturen mehr hier sein. Wir werden sie alle vertreiben.«
    »Wovon redest du . . .?« Katja wich zurück, doch er packte ihr Handgelenk. »Bist du verrückt geworden? Heute ist dein Vater begraben worden! Wie kannst du an so einem Tag. . .«
    Ihr zitterten die Knie, und ihre Stimme bebte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie diesen nach Schweiß und Rauch riechenden Mann vor einer Sekunde beinahe getötet hätte.
    »Was treibt ihr hier. . . du und deine widerlichen Schüler. . .? Die Zigeuner haben euch nichts getan. Sie feiern ein Fest!«
    »Keiner von diesem dunkelhäutigen Pack wird hier bleiben.« Er schien sie gar nicht gehört zu haben. »Zigeuner, Tschetschenen, Kaukasier – wir vertreiben sie alle. Schön von dir, dass du gekommen bist, um zuzuschauen . . .«
    »Ich bin als Gast hier, um mit den Leuten zu feiern!«, rief Katja. »Komm endlich zur Besinnung! Was tut ihr? Das ist verbrecherisch! Weshalb schlägst du diese Frau? Du Schuft, du Faschist! Perverser Idiot! Friss doch lieber deine Raupen!«
    Er zog sie mit einem Ruck zu sich heran.
    »Du willst wissen, warum? Warum ich das tue? Unser Volk will nicht, dass diese schwarzen Ratten hier leben. Sie klauen und betrügen. In der ganzen Gegend. Überall! Du kannst fragen, wen du willst. Unser Volk . . .«
    »Was soll dieses Gewäsch vom Volk!« Katja schrie, besinnungslos vor Wut, und versuchte mit aller Kraft, den Arm freizubekommen, doch seine Finger hielten ihn umklammert wie stählerne Zangen. »Ihr mit eurem Survival-Camp, euren Ritualen und Messern! Ich hab gleich gewusst, wozu ihr das braucht! Du sorgst dich um das Volk – dass ich nicht lache! Lass mich los! Der Frau ist schlecht, sie braucht Hilfe . . . Lass mich! Und das Volk . . . was tust du selber diesem Volk hier an? Da sagst du nichts mehr, was? Glaubst du, keiner wüsste, was du nachts hier treibst?«
    Sie schrie es in wildem Zorn und . . . stockte plötzlich. Seine Augen jagten ihr entsetzliche Furcht ein, genau wie das Lächeln, das wieder auf seinen Lippen lag. Er beugte sich ganz nah zu ihrem Gesicht.
    »Was treibe ich denn hier des Nachts? Was weißt du denn alles von mir?«
    Plötzlich hörte man in der Ferne auf der Chaussee hinter dem Wald das Heulen einer Sirene. Hinter der Hausecke tauchten drei Männer in Tarnanzügen auf.
    »Meister, verschwinden wir? Die Kabel haben wir durchtrennt. Diese Zigeunerbrut wird noch lange an uns denken!«
    Basarow drehte sich um, mit einer ruckartigen Bewegung des ganzen Körpers. So fuhr ein Tier im Käfig herum, wenn man es reizte. Das Heulen der Sirene kam immer näher.
    »Ich bin zufrieden. Alles ist erfolgreich abgelaufen«, sagte er ruhig und sachlich. Sein tranceartiger Zustand war völlig von ihm abgefallen. »Tut jetzt, was wir verabredet haben. Wir treffen uns – ihr wisst wo.«
    »Lass mich los!«

Weitere Kostenlose Bücher