Der Kalte Kuss Des Todes
Brust.
Ich sprang auf, die Schlangen zischten alarmiert, wollte mich auf ihn stürzen -
»Halt, keinen Schritt weiter«, sagte Joseph fast beiläufig, und mir war, als würde ich an eine Mauer prallen. Ich erstarrte wie eine in Bernstein gefangene Fliege.
Was, zum Teufel, hatte er mit mir gemacht?
Cosette kam mit wehendem Haar und flatterndem Hemd hereingestürzt, die Arme nach mir ausgestreckt. Ich wurde von einem Windstoß erfasst und an den Altar geschleudert.
»Gut gemacht, Joseph.« Sie grinste, dann kam sie zu mir und schaute auf mich herab. »Genny, ich glaube, ihr kennt euch schon. Aber ihr seid euch noch nicht offiziell vorgestellt worden.« Sie winkte Joseph herbei und schaffte es irgendwie, seine Hand zu ergreifen.
»Genny, das ist Joseph. Mein Sohn.«
»Dein Sohn?«, stammelte ich verblüfft und rappelte mich auf die Füße.
»Ja. Ein Bild von einem Mann, nicht wahr?« Sie lächelte stolz zu ihm auf. »Und ein richtiger Nekromant, nicht so ein Schwächling wie der von Hannah.«
»Hinsetzen, Genny«, befahl Joseph in diesem fast beiläufigen Ton und fixierte mich mit seinen Eulenaugen.
Noch bevor er ausgeredet hatte, saß ich bereits im Schneidersitz vor dem Opferstein. Ich war wütend und zutiefst erschreckt. Die Schlangen zogen sich unbehaglich zurück, versteckten sich unter meiner Haut. Cosette hatte recht: Nekro-Neil hatte es nur geschafft, mich ein bisschen rumzuschubsen, aber das war nichts im Vergleich zu Josephs fast müheloser Kontrolle über mich.
Sie streckte stolz ihre Hühnerbrust vor. »Und wenn die Dinge anders gelaufen wären, hätte ich zu gerne erlebt, was für Enkelkinder ihr beiden mir schenken könnt – aber das geht jetzt nicht mehr. Ich habe zwar nichts dagegen, einen
Pakt mit dem Teufel zu schließen, aber vor Inzucht schrecke ich dann doch zurück.« Sie tätschelte Josephs Hand. »Ich finde nämlich, dass Hannahs Idee, deinen Körper für sich in Besitz zu nehmen, ausgezeichnet ist. Eine Gelegenheit, die einfach zu gut ist, um sie sich entgehen zu lassen.«
Kacke. Vom Regen in die Traufe. Von der Pfanne der einen Hexe ins Feuer der anderen.
Was sollte ich jetzt bloß tun?
31. K apitel
S o, Mum, jetzt kümmern wir uns erst mal um dich«, sagte Joseph. Er ging zu meinem Körper, hob ihn ächzend hoch – als Nekro hatte man offenbar nicht viel Zeit, ins Fitnessstudio zu gehen – und bettete ihn behutsam auf den Steinaltar. Dann schnitt er meinem Körper die Reste des orangeschwarzen Abendkleids vom Leib. »Du willst schließlich kein Geist mehr sein, wenn der Dämon erscheint.«
»Natürlich nicht.« Sie strahlte ihn an. Dann kletterte sie auf den Altar und setzte sich sozusagen in meinen Körper.
»Aber er wird sich über die Seele der Sidhe freuen!«
»Den Spaß werde ich ihm verderben«, murmelte ich grimmig.
Joseph kramte in seiner Arzttasche und breitete fachmännisch seine Instrumente auf dem Rollwägelchen aus, das neben seinen Maschinen stand. Ich fragte mich unwillkürlich, ob er das wohl vorher geübt hatte – mit mir vielleicht, besser gesagt, mit meinem Körper, als ich nach der Explosion in der Bäckerei bewusstlos gewesen war und er mich eigentlich hätte pflegen sollen. Ein zutiefst verstörender Gedanke, den ich sogleich verdrängte. Jetzt musste ich erst mal meinen Körper wiederbekommen, bevor Cosette sich darin festsetzte.
Und dann musste ich den Dämon daran hindern, all die anderen Geister zu verschlingen, allen voran das lebendige männliche Jungfrauenopfer. Die regieführende Magierin war zwar sozusagen ausgewechselt worden, aber ich bezweifelte,
dass das für den Dämon Grund genug war, sich seinen Halloween-Snack entgehen zu lassen.
Maliks und Tavishs heldenhafte Rettungsmission war ja nun leider in die Hose gegangen, und ich konnte mir denken, dass Cosette vorhatte, auch sie in die Süßigkeitentüte für den Dämon zu packen. Voller Wut lehnte ich meinen Kopf an den Altarstein. Mit Freunden wie Joseph brauchte Malik wahrhaftig keine Feinde mehr.
»Ich soll also ein Dämonensnack werden, was?«, sagte ich laut, »aber was wird aus den beiden?« Ich deutete auf Malik und Tavish.
»Hm.« Cosette musterte Tavish nachdenklich. »Der Seelenschmecker, na ja, er ist noch nicht tot … wer weiß, ob der Dämon ihn überhaupt haben will, aber wir werden sehen. Was den Vampir angeht, der kann Joseph noch sehr nützlich sein, so wie Rosa dir seit drei Jahren nützlich war.« Ihr Blick hing an ihrem Sohn, der soeben meine Armbeuge mit einem
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