Der Kalte Kuss Des Todes
jetzt schaut: Er bewundert sich schon wieder im Schaufenster. Und jetzt dreht er sich um, weil er jemanden gesehen hat, aber da ist niemand. Eine leere Straße. Er vergewissert sich, schaut noch mal ins Schaufenster. Und wieder zurück auf die Straße.« Ich drückte auf Standbild und spähte mit verengten Augen auf den Bildschirm. »Da ist noch jemand. Schaut.«
Tavish beugte sich über meine Schulter. »Aye, Püppchen, scheint so. Jemand hat versucht, sich mithilfe von Magie unsichtbar zu machen. Aber er war nachlässig. Er hat vergessen, auch sein Spiegelbild unsichtbar zu machen.«
Ich deutete mit einem triumphierenden Grinsen auf den Bildschirm. »Kannst du das vergrößern? Vielleicht sieht man ja, wer’s ist.«
»Vielleicht.« Tavish drehte meinen Stuhl herum, packte mich am Arm und zog mich hoch. »Ich versuch’s.« Er setzte sich und starrte konzentriert auf den Bildschirm. Seine Finger flogen über die Tastatur. »Aber mach dir nicht zu viele Hoffnungen, Püppchen. Es könnte nicht reichen, um deinen Namen reinzuwaschen.«
»Ach, das kann warten«, sagte ich energisch. »Zuerst mal muss ich den Täter finden, bevor er oder sie noch mal mordet. Und die Aufnahmen zeigen uns vielleicht, wer’s ist.«
10. K apitel
M ach mir doch bitte eine Kopie von dem Band für die Polizei«, sagte Finn, der sich über Tavishs Schulter beugte, »die sollen mal einen Blick darauf werfen.«
»Die werden kaum mehr Erfolg haben als ich, Junge.«
»Nein, natürlich nicht«, stimmte Finn ihm zu, »aber dann wissen sie wenigstens, wo sie anfangen sollen. Und sie können dein Band mit dem Original vergleichen. Dann sehen sie, dass du nichts manipuliert hast.«
»Aye, da hast du recht.« Tavish nickte, er griff in ein unteres Fach und holte einen USB-Stick hervor. »Ist nicht schwer, so was zu fälschen. Und die Menschen lügen so oft, die können sich nicht vorstellen, dass mal jemand die Wahrheit sagt.«
Ich stützte mich auf die Lehne und deutete auf den gepiercten Azubi. »Die Aufnahme selbst ist nicht das Einzige. Der Junge da muss was wissen.« Ich schaute Finn an. »Meinst du, du könntest Helen bitten, ihn sich noch mal vorzuknöpfen?«
»Ja, ich werde sie fragen«, antwortete Finn und fuhr sich durchs Haar, kratzte sich am linken Horn.
»Danke.« Ich schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln. Dann drückte ich mental die Daumen. Was jetzt kam, würde knifflig werden. Die Idee hatte in meiner Vorstellung langsam Gestalt angenommen, und ich hielt sie für den besten Plan, den ich hatte. Ich musste die Phouka rufen, und ich war mir nicht sicher, wie die Jungs das aufnehmen würden. Vielleicht würden sie gar nichts sagen, vielleicht war ich bloß paranoid. Ich
beschloss dennoch, die Sache ganz behutsam anzugehen und nicht mit der Tür ins Haus zu fallen.
»Ach, Finn«, sagte ich beiläufig, »bevor du gehst – könntest du mir vielleicht was aus meiner Wohnung rufen ?«
Er runzelte die Brauen. »Kommt darauf an, was. Die Magie funktioniert nur, wenn ich genau vor mir sehe, was du willst und wo es ist. Weiß nicht, ob das mit den Sachen von anderen Leuten klappt.«
»Ach! Na ja, ich hatte gehofft, du könntest mir was zum Anziehen aus meinem Schrank rufen .« Ich warf seufzend einen Blick auf mein knittriges, voluminöses T-Shirt. »Aber wenn das nicht geht, dann wenigstens das andere, was ich brauche: einen von diesen glänzenden Kieseln, die in dieser Porzellanschale liegen. Du weißt schon, die Schale, die wie ein Blatt geformt ist.« Ich legte fragend den Kopf schief. »Weißt du, was ich meine?«
»Ja, ich erinnere mich«, antwortete Finn nachdenklich, »die stehen in deinem Schlafzimmer.«
»Ja, genau!« Finn war zwar erst zwei Mal in meinem Schlafzimmer gewesen, aber die Kiesel standen auf meinem Nachttischchen und waren schwer zu übersehen. Tavish hörte plötzlich auf zu tippen und schwang seinen Stuhl herum. Auf seinem Gesicht lag ein wachsamer Ausdruck. Mein Herz geriet ins Stolpern. Puh, das würde schwieriger werden, als ich gedacht hatte.
»Du meinst die, die auf deiner Seite des Betts stehen«, sagte Finn mit einem schelmischen Grinsen.
»Finn, beide Seiten des Betts sind meine Seiten«, entgegnete ich trocken. Musste er gerade jetzt so eine Andeutung machen? Tavish musste ja glauben, dass Finn und ich was miteinander hatten! Aber immer noch besser, sie mit Eifersucht abzulenken, als dass sie auf den wahren Grund für meine Bitte kamen. Finn schnippte mit den Fingern, einmal, zweimal.
Er hatte
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