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Der Kalte Kuss Des Todes

Der Kalte Kuss Des Todes

Titel: Der Kalte Kuss Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne McLeod
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kleiner Verteidigungsdamm zu einer solchen Monstrosität werden könnte.
    Kein Wunder, dass Tavish nicht gerade entzückt war.
    Aber er hatte sich bereits an mir gerächt.
    Ich warf einen Blick an mir hinab. Ich hatte ihn um einen Glamour gebeten und auf etwas Unauffälliges, Marke »graue Maus«, gehofft. Was ich bekommen hatte, war der klassische Bimbo-Look: lange, hellblonde Haare, Kurven wie ein Stundenglas und eine enorme Oberweite. Wenn ich mit diesen
Möpsen auf die Schnauze flöge, befände ich mich immer noch dreißig Zentimeter vom Asphalt entfernt. Es wäre, als würde man auf einem Gummiboot landen.
    Na ja, das war vielleicht ein wenig übertrieben, aber unter die Kategorie »unauffällig« fiel ich bestimmt nicht. Tavish hatte natürlich jede Schuld von sich gewiesen. Er behauptete, er habe sich bei seinem Zauber von der blonden Bikinischönheit inspirieren lassen, die auf einem Plakat in seinem Arbeitszimmer hing. Sie räkelte sich vor einem neuen Luxushotel unter Palmen an einem weißen Strand, und nach diesem Vorbild schien er sich auch seinen eigenen Strand gebastelt zu haben.
    Nach dieser wenig angenehmen Überraschung hatte ich darauf bestanden, wenigstens etwas Richtiges zum Anziehen zu bekommen und keine verzauberten Klamotten. Tavish hatte den Inhaber eines Bekleidungsgeschäfts angerufen, der ihm noch einen Gefallen schuldete, und mir einen Pulli, Jeans, Turnschuhe und eine Lederjacke gerufen . Da er jedoch die Unterwäsche »vergessen« hatte, musste ich wohl oder übel den weißen Bikini vom Plakat tragen. Aber das war immer noch besser als gar nichts.
    Was die übrigen Dinge betraf, war ich mehr als zufrieden. Ich war nun stolze Besitzerin eines brandneuen Prepaid-Kartenhandys, einer Oyster Card, mit der ich überall in London herumfahren konnte, und eines dicken Bündels Zwanziger.
    »Komm und schau dir deine Tür an, Püppchen«, forderte er mich auf, nahm mich bei der Hand und führte mich über den Sand.
    Die Tür, die sich materialisiert hatte, als ich meinen »Speer« zwischen die Kampfhähne warf, sah nun ganz anders aus. Die altmodischen Riegel und mittelalterlichen Vorhängeschlösser waren verschwunden. Vor mir stand etwas, das in jedes Bürogebäude gepasst hätte, mit einer gefrosteten Glasscheibe
in der oberen Türhälfte. Dahinter waren die verschwommenen Schatten von vorbeigehenden Passanten zu erkennen. Ich griff nach der Klinke, drückte sie nieder und trat in eine schmale Gasse hinaus, die auf eine breitere Straße führte. Bis auf eine ältere Dame, die bei meinem plötzlichen Auftauchen fast einen Herzanfall bekam, erregte ich keinerlei Aufmerksamkeit. Alle hatten es eilig, liefen mit gesenkten Köpfen durch den strömenden Regen. Ich brauchte einen Augenblick, um mich zu orientieren, aber dann erkannte ich, dass ich mich in der Clink Street befand, fast genau dort, wo ich hinwollte. Auch ich zog nun den Kopf ein und lief, den Pfützen ausweichend, die Straße entlang – zum Glück trug ich bequeme Turnschuhe. Ich kam an einer Seitenstraße vorbei und erhaschte einen Blick auf die Golden Hind , das nachgebaute Tudor-Kriegsschiff, in dem Sir Francis Drake die Welt umsegelt hatte. Dabei fragte ich mich unwillkürlich, ob sie wohl inzwischen den Selkie losgeworden waren, der sich vor zwei Wochen in der Kapitänskajüte eingenistet hatte.
    Ich erreichte das Clink und wäre fast die nassen Stufen zum Eingang im Souterrain runtergerutscht. Ich bezahlte mein Eintrittsgeld und schlängelte mich dann zwischen den Ausstellungsstücken hindurch zum geräumigen Hinterzimmer.
    An einem wuchtigen Holztisch saß dort ein Troll aus Beton (ein lebender) und spielte mit einem Satz Plastikwürfel. Er war alt – oder hatte zumindest ein hartes Leben hinter sich. Von seiner Nase fehlte ein Stück, und die tiefen Risse in seinem Gesicht waren mit blauem Mörtel aufgefüllt. Das sah aus, als wäre seine Haut von dünnen blauen Adern durchzogen, was mich unwillkürlich an die blauen, hervortretenden Adern hungriger Vampire erinnerte.
    Der Troll hieß – wie hätte es anders sein können – Blue. Auf dem Informationsschildchen vor ihm stand, dass man bereits im fünfzehnten Jahrhundert Trolle als Gefängniswärter
eingesetzt habe. Und da dies ein interaktives Museum war, trug Blue ein formloses wollenes Wams, eine abgetragene Kniehose und ein raues, ungebleichtes Baumwollhemd, das die Größe eines Zelts hatte. Hinter ihm drückte sich ein halbes Dutzend zwielichtiger Gestalten herum. Ich war

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